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Versorgung junger, unbegleiteter Flüchtlinge: Spitzentreffen

Kinder und Jugendliche aus Kriegs- und Krisengebieten, die alleine nach Deutschland kommen, werden speziell betreut. Doch die Kapazitäten geraten auch hier an die Grenzen. Wie dramatisch ist die Lage und was können Regierung und Kommunen tun?

Manne Lucha
Junge Flüchtlinge aus der Ukraine warten an der Hauptpforte der Landeserstaufnahmeeinrichtung, um hereingelassen zu werden. Foto: Felix Kästle
Junge Flüchtlinge aus der Ukraine warten an der Hauptpforte der Landeserstaufnahmeeinrichtung, um hereingelassen zu werden.
Foto: Felix Kästle

Im Gezerre um die Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge lädt Sozialminister Manne Lucha (Grüne) am heutigen Dienstag (15.00 Uhr) die Spitzen der Kommunalverbände zum Gespräch. Städtetag und Landkreistag fordern mehr finanzielle und organisatorische Unterstützung des Landes, weil sie sich kaum noch in der Lage sehen, die Jugendlichen unterzubringen und zu versorgen. Außerdem solle das Land minderjährige Flüchtlinge ähnlich wie Erwachsene in Erstaufnahmeeinrichtungen unterbringen und registrieren. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg warnte die Landesregierung davor, »die Krisenrhetorik, die insbesondere von den Kommunalverbänden kommt, unreflektiert zu reproduzieren«.

Das Bild im Land - nicht nur in Bezug auf unbegleitete minderjährige, sondern auf Flüchtlinge insgesamt - sei sehr unterschiedlich, sagte die Leiterin der Geschäftsstelle in Stuttgart, Anja Bartel, der Deutschen Presse-Agentur. Die Kommunen, die jetzt laut um Hilfe riefen, seien in der Regel diejenigen, die in den Jahren sinkender Flüchtlingszahlen sofort Plätze abgebaut hätten.

»Die alarmistische Rhetorik führt auch zu nichts«, sagte Bartel. Es könnten nicht einfach keine Asylsuchenden mehr aufgenommen werden. »Ich will nicht bestreiten, dass die Lage mancherorts angespannt ist«, sagte sie. Aber wichtig sei ein konstruktiver Ansatz. Als solchen wertete die Geschäftsstellenleiterin das Spitzentreffen, zu dem der Flüchtlingsrat ihren Angaben zufolge nicht geladen wurde.

Manche Forderungen der Kommunalverbände seien »gefährlich«, sagte Bartel und nannte als Beispiel den Vorschlag, die Jugendlichen in einem System ähnlich wie Erwachsene aufzunehmen. »Es macht Sinn, dass es spezifische Anforderungen gibt, um den besonderen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden«, erläuterte die Fachfrau. »Daran sollte man auch nicht kratzen.« Jegliche Vorstöße in die Richtung lehne der baden-württembergische Flüchtlingsrat ab.

Nach Angaben des Ministeriums wurden im vergangenen Jahr 3180 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Südwesten gemeldet - mehr als zweieinhalb Mal so viele wie 2021. Im Vergleich dazu wurden Angaben einer Sprecherin zufolge im Jahr 2015, als der Flüchtlingszustrom enorm hoch war, rund 9000 registriert. Anders als bei Erwachsenen oder Geflohenen mit Begleitung werden sie nicht zentral untergebracht, sondern von den Jugendämtern betreut. Derzeit kommen dem Ministerium zufolge insbesondere Minderjährige aus den Ländern Afghanistan, Irak und Syrien nach Baden-Württemberg.

Der von den Kommunen angeführte Mangel an Plätzen und Fachkräften betrifft laut Bartel vom Flüchtlingsrat nicht speziell die unbegleiteten Minderjährigen. Die Politik müsse sich Gedanken machen, wie sie die soziale Arbeit mit Flüchtlingen insgesamt besser gestalte. »Wir kennen viele, die nach kurzer Zeit ausgebrannt sind.« Die Betreuungsschlüssel seien so, dass die Helfer dem Einzelfall oft nicht so gerecht werden könnten, wie es nötig wäre. Hinzu kämen häufig noch ein Berg an Bürokratie und politische Vorgaben, die mit eigenen moralischen Vorstellungen nicht immer in Einklang stünden.

Informationen zu Verteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Baden-Württemberg

Handreichung zum Umgang mit UMF in Baden-Württemberg der Liga der freien Wohlfahrtspflege

Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge über Unterbringungssituation

SWR-Bericht

© dpa-infocom, dpa:230116-99-241782/3