STUTTGART. Für Schüler oft ein Grund zur Freude, für viele Eltern aber ein Problem: Der Unterrichtsausfall an Schulen in Baden-Württemberg hat zuletzt zugenommen. Das geht aus Zahlen hervor, die das Kultusministerium nun bekannt gab. Im Vergleich zum letzten Erhebungszeitraum im Jahr 2019 fielen in der letzten Novemberwoche 2024 im ganzen Land 4,3 Prozent des geplanten Unterrichts aus, ganze 11,3 Prozent der Lehrkräfte waren in diesem Zeitraum abwesend. In derselben Kalenderwoche des Jahres 2019 waren 3,3 Prozent der Unterrichtsstunden ausgefallen.
Der häufigste Grund für die Abwesenheit der Lehrkräfte war in zwei Dritteln aller Fälle Krankheit. Offenbar gab es aber zum Zeitpunkt der Datenerhebung eine Krankheitswelle. Auch in anderen Berufsgruppen waren viele Menschen krankgeschrieben.
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) dankte daher in einer Mitteilung den Lehrerinnen und Lehrern im Land für ihren Einsatz: »Dass sie es geschafft haben, trotz der angespannten Unterrichtsversorgung und trotz der Zunahme des Krankenstandes mehr Unterricht zu vertreten als 2019, zeigt das große Engagement unserer Lehrkräfte und die organisatorische Leistung unserer Schulleitungen.« Gleichzeitig, so Schopper, zeigten die Ergebnisse aber auch, dass die Krankheitsreserve trotz der Aufstockung an ihre Grenzen gerate.
»Die aktuellen Zahlen geben nur einen Teil der Wirklichkeit wieder«
Für die Bildungsgewerkschaft GEW ist der gestiegene Unterrichtsausfall Anlass, sich erneut für einen Ausbau der ständigen Vertretungsreserve für die etwa 4.500 Schulen in Baden-Württemberg stark zu machen. Diese Reserve sei mit 1.945 Stellen bei geschätzten gut 5.000 bis 7.000 dauerhaften Ausfällen viel zu gering. »Die aktuellen Zahlen des Kultusministeriums geben nur einen Teil der Wirklichkeit in den Klassenzimmern wieder«, meint die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. In den Grundschulen und den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) sei die Not am größten. »Dort fehlen bereits am Beginn des Schuljahres Lehrkräfte, um überhaupt den Pflichtunterricht abdecken zu können«, kritisiert sie. Gleichzeitig könnten dort keine Kinder nach Hause geschickt werden.
Hintergrund für den Unterrichtsausfall ist auch der anhaltende Lehrkräftemangel. Die GEW fordert auch hier erneut von der Landesregierung mehr Anstrengung, um diesen zu bekämpfen. »Die Landesregierung hat es versäumt, die notwendigen Stellen zu schaffen, um genug Lehrkräfte an den Schulen einstellen zu können. Außerdem tut die Landesregierung zu wenig dafür, dass sich genug junge Menschen für den Beruf interessieren und eine Stelle in Baden-Württemberg annehmen«, so die Lehrergewerkschaft.
»Die prekäre Unterrichtssituation gefährdet nicht nur die Unterrichtsqualität«
Auch der Landesvorsitzende des VBE (Verband Bildung und Erziehung) Gerhard Brand fordert mit Hinblick auf die Stundenausfälle mehr Personal an Schulen: »Die prekäre Unterrichtssituation gefährdet nicht nur die Unterrichtsqualität, sondern auch die Gesundheit der Lehrkräfte, die durch eine höhere Arbeitslast den verdeckten Personalmangel kaschieren müssen.« Um Ausfälle und Fehlzeiten durch Krankheiten, Schwangerschaften oder Fortbildungen kompensieren zu können, müssten laut Brand alle Schulen mit einer Krankheitsreserve von 10 bis 20 Prozent ins Schuljahr gehen. Wie eine Umfrage des VBE zu Beginn des Schuljahres gezeigt hat, starten viele Schulen aber mit Personallücken von 10 bis 20 Prozent ins Schuljahr.
Aktuell stehen laut Kultusministerium im Haushalt für 2025 rund 78 Millionen Euro für den Abschluss von Vertretungsverträgen zur Verfügung. Das große Problem: Viele Schulen finden kein geeignetes Personal. Das Kultusministerium versuchte zuletzt durch Seiten- und Quereinsteiger die Lücken an den Schulen zu füllen. Auch für das Lehramtsstudium sollten mehr junge Menschen begeistert werden. Ob dies allerdings vor dem Hintergrund der vielen Herausforderungen an den Schulen in ausreichendem Maße gelingt, bleibt ungewiss. Der VBE fordert daher neben mehr Wertschätzung für die an Schulen geleistete Arbeit einen weiteren Ausbau der Studienkapazitäten und den Wegfall von Zulassungsbeschränkungen. (GEA)