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»Unsicher«, »lustlos«: Risse im Bild des perfekten Beamten

Ranghöchster Polizist mit unter 50 Jahren: Wie konnte der inzwischen freigestellte Inspekteur der Polizei eine so steile Karriere hinlegen? Das versucht derzeit ein Untersuchungsausschuss zu klären. Sein ehemaliger Chef hielt ihn für zu unerfahren.

Ex-LKA-Chef Ralf Michelfelder
Ralf Michelfelder, ehemaliger Chef des Landeskriminalamts. Foto: Christoph Schmidt
Ralf Michelfelder, ehemaliger Chef des Landeskriminalamts.
Foto: Christoph Schmidt

Ein herausragender Beamter, leistungswillig, leistungsfähig, besonnen und erfahren: Die Einschätzungen zum freigestellten Inspekteur der Polizei fielen im Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre bislang recht eindeutig aus. Der ehemalige Chef des Beamten zeichnete am Montag nun ein anderes Bild: »Er besaß das fachliche Niveau aus meiner Sicht nicht«, sagte der ehemalige Präsident des Landeskriminalamts, Ralf Michelfelder, im Landtag.

Der Inspekteur der Polizei, der sich derzeit vor dem Stuttgarter Landgericht wegen sexueller Nötigung einer jungen Kommissarin verantworten muss, war vor seiner Ernennung zum höchsten Polizeibeamten des Landes der Vizepräsident des Landeskriminalamts und damit Stellvertreter von Michelfelder.

Auf die Position des stellvertretenden LKA-Chefs sei der heutige Inspekteur gegen sein ausdrückliches Veto gekommen, erklärte Michelfelder. Er habe einen anderen Bewerber für deutlich besser geeignet gehalten und das auch im Protokoll der Besetzungskonferenz festhalten lassen. »Ich sah diese Entscheidung als Sicherheitsrisiko«, sagte Michelfelder. Aus seiner Sicht habe der heutige Inspekteur keine ausreichende operative Erfahrung für die stellvertretende Leitung des LKA gehabt.

Als stellvertretenden Chef des LKA habe er den aktuell freigestellten Polizei-Inspekteur »unsicher« und »lustlos« erlebt. Auch mit dessen Leistungen sei er nicht zufrieden gewesen. »Jeden wichtigen Vorgang, der über seinen Tisch ging, musste ich nochmals überprüfen und korrigieren«, sagte Michelfelder. Auch habe er sich darüber geärgert, dass sein Vize ständig am Handy gewesen sei, viel telefoniert und Textnachrichten versandt habe.

Im Vorfeld der Ernennung seines ehemaligen Stellvertreters zum Inspekteur der Polizei sei er zudem um keine Einschätzung gebeten worden. Der heute 50-Jährige war im November 2020 zum ranghöchsten Polizisten in Baden-Württemberg ernannt worden - und hatte im Vorfeld eine Spitzenbewertung mit der Höchstnote 5,0 erhalten. Erstellt hatte die Beurteilung der damalige Inspekteur der Polizei.

»Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, warum man mich nicht gefragt hat«, sagte Michelfelder. Er halte es für »äußerst fragwürdig«, dass der damalige Inspekteur die Leistungen des Mannes bewertet habe, ohne mit ihm als seinem damaligen direkten Vorgesetzten gesprochen zu haben. »Ich kann mir das nur so erklären, dass man meine Antwort vorausgesehen hat und sie nicht hören wollte.« Er selbst hätte die Spitzennote »garantiert nicht« gegeben.

Der Inspekteur der Polizei soll im November 2021 eine junge Polizeibeamtin sexuell belästigt haben. Er ist inzwischen freigestellt und muss sich derzeit wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob der ranghöchste Polizist des Landes seine Machtstellung als Vorgesetzter missbrauchte, um die Kommissarin zu sexuellen Gefälligkeiten zu drängen.

Der Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit sexueller Belästigung in Landesbehörden, der Beförderungspraxis bei der Polizei und der Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Thomas Strobl (CDU).

© dpa-infocom, dpa:230619-99-106750/3