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Tui mahnt Reisebüro wegen AfD ab

Hechinger Betreiber verhängte »Hausverbot für Grünwähler« und brachte Politiker-Schmähplakate an

Das Reisebüro auf dem Hechinger Marktplatz bekam durch AfD-Plakate bundesweite Aufmerksamkeit.  FOTO: SIEDLER
Das Reisebüro auf dem Hechinger Marktplatz bekam durch AfD-Plakate bundesweite Aufmerksamkeit. FOTO: SIEDLER
Das Reisebüro auf dem Hechinger Marktplatz bekam durch AfD-Plakate bundesweite Aufmerksamkeit. FOTO: SIEDLER

HECHINGEN. Für die einen ist das, womit Johannes Simon die Schaufenster seines Reisebüros schmückte, pointierte Kritik an der Regierung. Für viele aber sind die Äußerungen mitunter nicht in Einklang zu bringen mit Grundwerten dieses Landes. Ob sich darunter jedoch auch Strafbares befindet, wird sich erst noch zeigen: Beamte des Staatsschutzes haben kürzlich das viel diskutierte Reisebüro in Hechingen durchsucht, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Im Fokus der Ermittlungen soll eine Art Flugblatt stehen, auf dem Mitgliedern der Bundesregierung angebliche Krankheiten unterstellt werden, und auf dem im Stil einer Boulevardzeitung wörtlich geschrieben stehen soll: »Bald kracht’s.«

Legt man das Motto »Jede PR ist gute PR« als Messlatte an, läuft es für Johannes Simon, Betreiber des gleichnamigen Reisebüros und AfD-Stadtrat, gar nicht schlecht. Journalisten geben sich in Hechingen beinahe die Klinke in die Hand, sogar der Spiegel war jetzt da. Auf der Suche nach deutschen AfD-Hochburgen fuhr eine Reporterin in die Zollernstadt, genau wie eine des Wochenmagazins Kontext.

Entspricht nicht den Tui-Werten

Hechingen – eine bedeutende AfD-Hochburg? Vielleicht ist diese Idee eine der wenigen, über die Simon zusammen mit seinen größten Gegnern lachen kann. Nur dass – wie es die Initiative »Alboffensive« vermutet – man eine besonders besucherstarke Montagsdemo für die Reporterin des Spiegel inszeniert habe, sei Quatsch, natürlich. »Nichts wurde für den Spiegel gestellt«, sagte Simon.

Ohnehin brennt Simon ein anderes Thema viel mehr unter den Nägeln. Er wolle herausfinden, wer ihn angezeigt, »denunziert« hat. Bei den Ermittlungsbehörden. Und bei Tui. Denn während die strafrechtliche Bewertung des Reisebüro-untypischen Verhaltens Simons noch in vollem Gange ist, hatten sie bei der Tui AG, deren Produkte Simon vertreibt und mit deren Namen er wirbt, die Nase gestrichen voll. Und weil Johannes Simon daraus kein Geheimnis macht, äußert sich auch der Reisekonzern. Dessen Sprecher Aage Dünhaupt betont, dass man lediglich über einen Agenturvertrag mit dem Reisebüro Simon verbunden sei. Ein selbstständiges Reisebüro, kein Tui-Reisebüro also.

Der Tui-Sprecher bestätigt dann auf Anfrage, dass man Johannes Simon abgemahnt habe. Und weiter: »Zu den Details der Abmahnung können wir leider aus rechtlichen Gründen keine weiteren Angaben machen, allerdings entsprechen Hausverbote und AfD-Flugblätter in keiner Weise den Werten der Tui. Wir stehen für ein liberales, weltoffenes Miteinander und den kulturellen Austausch.« Mit dem Hausverbot ist gemeint, dass Simon auf einem Schild ein »Zutrittsverbot für Grünwähler« in sein Reisebüro ausgesprochen hatte.

Tui schreibt weiter: »Die Möglichkeiten einer Einflussnahme über den Verkauf unserer Produkte hinaus sind leider eingeschränkt, insbesondere wenn die Behörden noch keine strafrechtlich relevanten Handlungen feststellen konnten. Trotzdem prüfen wir alle rechtlichen und vertraglichen Möglichkeiten, um politische Aussagen im Umfeld unserer Marke wie hier in Hechingen zu unterbinden.«

Simon kündigt Protest an

Johannes Simon hat fürs Erste jetzt erst mal alles weggeräumt. »Ich will das Reisebüro schon noch zwei oder drei Jahre betreiben«, sagt der 72-Jährige. Deshalb habe er sich mit Tui geeinigt, »keinen einzigen Hinweis mehr auf die AfD« zu platzieren. Womit Simon freilich keinesfalls meint, langfristig klein beizugeben.

Ganz im Gegenteil, er kündigt an zu protestieren, will wieder AfD-Werbung aufstellen und auch die politischen Pamphlete wieder aushängen. »Einspruch an Tui ist schon unterwegs«, sagt Simon. »Per Einschreiben!«

Die Geschehnisse um das Hechinger Reisebüro sind in dieser Woche Diskussionsstoff in der Reisebranche, bundesweit. Bei »Best Reisen«, dem Verbund, dem das Reisebüro Simon angeschlossen ist, stellen sie sich auch die Frage, wie man wohl reagiert. »Best Reisen« ist eine Art Einkaufsgemeinschaft; selbstständige Reisebürobetreiber agieren dort als Mitglieder. Simon wirbt damit im Namen. »Best Travel«, das große Schild über dem Eingang des Ladens etwa, weist auf die Mitgliedschaft im großen Verbund hin. Doch bei »Best Reisen« in Filderstadt wolle man sich nicht öffentlich zu den Vorgängen in Hechingen äußern, wie eine Sprecherin mitteilt.

Etwas schmallippiger als noch kürzlich scheint bei einem weiteren Thema auch der AfD-Stadtrat Johannes Simon selbst. Nachdem man jüngst angekündigt hatte, Joachim Steyer, AfD-Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Hechingen-Münsingen, wolle ein Wahlkreisbüro in den Räumen des Hechinger Reisebüros eröffnen, sagte Simon: »Ich habe dazu keine Ahnung. Joachim Steyer ist derzeit im wohlverdienten Urlaub.« (GEA)