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Trinken für einen guten Zweck

Die älteste deutsche Spitalkellerei sitzt in Konstanz. Sie wurde vor 800 Jahren gegründet

Seit 800 Jahren existiert die Spitalkellerei Konstanz. Einer der beiden Pächter ist Stefan Düringer, hier im Kellergewölbe.  FOT
Seit 800 Jahren existiert die Spitalkellerei Konstanz. Einer der beiden Pächter ist Stefan Düringer, hier im Kellergewölbe. FOTOS: FRICKER
Seit 800 Jahren existiert die Spitalkellerei Konstanz. Einer der beiden Pächter ist Stefan Düringer, hier im Kellergewölbe. FOTOS: FRICKER

KONSTANZ. Das Rotkäppchen aus dem gleichnamigen Märchen war keine ausgebildete Krankenschwester. Dennoch brachte das Kind der bettlägerigen Großmutter zwei Dinge mit, die ihr auf die Beine helfen sollten: Wein und Kuchen waren in dem Korb, den das Kind zur Waldhütte tragen sollte, in der Oma wohnte. Heute wäre eine Flasche Wein und ein zuckriger Kuchen ungeeignet für einen Intensivpatienten. Doch im Mittelalter, in dem das Grimmsche Märchen spielt, galt Alkohol als naturnahe Therapie. Genauso dachten auch die Konstanzer Bürger, die vor 800 Jahren das erste bürgerliche Spital in ihrer Stadt gründeten: Sie schenkten ihm reichlich Weinberge, dessen Erträge auch den Patienten im Spital zugutekommen sollten.

Wein als Medizin

Was die Stifter nicht ahnten: Sie hoben damit die älteste Spitalkellerei in Deutschland aus der Taufe. 1225 wurde das Spital in der Bischofsstadt gegründet. Es kümmert sich um Kranke und Alte bis auf den heutigen Tag. Als diese Institution in staufischer Zeit gegründet wurde, fing es bei null an. Die Gründer beschenkten diese frühe Sozialstation reichlich. Häuser, Grundstücke, Ackerflächen und Rebberge, die im Mittelalter reichlich an den Ufern des Bodensees wuchsen, wurden dem Spital überschrieben. Dem Wein wurde damals auch eine heilende Wirkung zugeschrieben. Den Patienten des Spitals wurde selbstverständlich das Getränk aus eigenem Anbau eingeflößt.

Bemerkenswert: Die Spitalkellerei in Konstanz ist nicht nur älteste ihrer Art auf deutschem Boden. Sie existiert und verkauft bis heute. 18 und einen halben Hektar bewirtschaften die beiden Pächter Hubert Böttcher und Stefan Düringer. Die Anbauflächen liegen in Konstanz und in Meersburg. Düringer liebt seine Aufgabe. »Ich habe mir bewusst einen traditionellen Betrieb ausgesucht«, sagt er im Gespräch. Düringer kennt den Weinbau von Kindesbeinen an. Er stammt aus dem Kaiserstuhl und hat in einigen Betrieben gearbeitet, bevor er sich am Bodensee niederließ und Pächter wurde. Wir unterhalten uns im Verkaufsgebäude der Kellerei am Rande der Altstadt. Der Verkaufsraum ist vor Kurzem neu gestaltet worden mit Fassdauben als Weinhaltern. Schnell wird deutlich: Hier geht keine Massenware über den Verkaufstisch, hier wird Kulturgut zelebriert.

Ernte sehr unterschiedlich

Seit etwa 1700 sitzen die Rebleute an dieser Stelle, nachdem der erste Standort aufgegeben wurde. Düringer führt seine Besucher gerne in die Gewölbe hinunter, in dem einige antike Fässer stehen – neben modernen und glänzenden Tanks aus Edelstahl. Hier schlägt das Herz der Kellerei, hier vergärt der Traubensaft zu Wein. Die alten Fässer dienen dagegen nurmehr als Schaustücke; auf einem ist die Geschichte des Edelfräuleins Wendelgard dargestellt, die bis heute bei keiner Stadtführung fehlen darf (siehe Infokasten).

Auch der Weinbau wird hart vom Klimawandel getroffen. »Die Ernte fällt extrem unterschiedlich aus«, berichtet Düringer. 2006 war ein schreckliches Jahr, gerade einmal 18.000 Liter Wein konnte die Kellerei erzeugen. 2024 waren es 110.000 Liter. Um die Schwankungen auszugleichen, greift der Betrieb auf Rücklagen zurück. Schwankend ist aber nicht nur das Wetter, sondern auch die Laune der Konsumenten. Wein sei derzeit angesagt, sagt Stefan Düringer. In diversen TV-Serien sieht er einen Grund dafür, wenn sympathische Schauspieler ihren Schoppen heben. Sein persönlicher Favorit ist der Riesling, denn: »Das ist unsere edelste Rebsorte«. Neben den Klassikern von Grauburgunder bis Schwarzriesling hat auch der Chardonnay Einzug gehalten. Nicht zu vergessen der Müller-Thurgau, der auch im »Bürgertröpfle« verarbeitet wird. Im Lauf der vielen Erntejahre ist Düringer klar geworden: Jede Generation hat ihren eigenen Geschmack. (GEA)

 

WENDELGARDS WEIN

Die Erzählung von der adeligen Wendelgard und ihrer unverhofften Schenkung zählt zu den bekannten Lokalsagen in Konstanz. Demnach war Wendelgard ein sehr reiches, aber auch hässliches Fräulein mit einem Schweinsrüssel, das in Meersburg lebte. Die Bürger dort weigerten sich, mit Wendelgard einmal in der Woche zu speisen und dann in der Kutsche auszufahren, wie sie das verlangt hatte. Die Konstanzer, obwohl am anderen Ufer des Sees, taten ihr den Gefallen. Nach dem Tod des Fräuleins sollte sich das auszahlen: Die Weinberge von Wendelgard fielen an das Konstanzer Spital. Sie bilden bis heute einen wichtigen Besitz der Spitalkellerei. (uli)