Der Fall versetzte vor einem halben Jahr eine ganze Gegend in Angst und Schrecken: Zwei ältere Frauen werden innerhalb weniger Wochen in ihren Wohnungen im Raum Schwäbisch Hall tot aufgefunden - brutal erschlagen. Die eine ist 77, die andere 89 Jahre alt. Zunächst wissen die Ermittler nicht, ob weitere ungeklärte Gewaltverbrechen damit in Verbindung stehen. Die Menschen haben Angst. Seit Freitag muss sich nun ein 31 Jahre alter Mann aus Serbien vor dem Landgericht Heilbronn verantworten.
Laut Oberstaatsanwalt Harald Lustig ein außergewöhnliches Verfahren: »Schwäbisch Hall ist grundsätzlich eine ländlich geprägte Gegend - da ist ein Tötungsdelikt schon was Außergewöhnliches«, sagt er. »Hier hat man eine ganze Verbrechensserie.« Genauer gesagt sind es drei Verbrechen, die dem 31-Jährigen angelastet werden. Sie zeugen von Kaltblütigkeit und Brutalität. Die Taten laut Anklageschrift:
21. Dezember 2022 - Vermutlich zwischen 14.42 Uhr und 16.31 Uhr dringt der Mann in die Wohnung einer 77-jährigen Frau in der Wohnsiedlung Tullauer Höhe im Süden von Schwäbisch Hall ein - um »alles Stehlenswerte an sich zu nehmen«. Er gelangt wohl über eine defekte Haustür in das Mehrfamilienhaus. Als er in der Wohnung auf sein Opfer trifft, attackiert er sie am Hals und am Kopf mit einer bislang unbekannten Waffe. Sie erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma, die Schädeldecke bricht. Die Frau stirbt an ihren Verletzungen.
Der Angreifer geht ins Schlafzimmer, klaut Geldscheine im Wert von 1500 Euro aus einer Kassette und flieht. Die Staatsanwaltschaft sieht hier die Mordmerkmale der Habgier und der sogenannten Ermöglichungsabsicht erfüllt - die liegt vor, wenn jemand sein Opfer tötet, weil er glaubt, auf diese Weise eine andere Straftat schneller oder leichter begehen zu können.
25. Januar 2023 - Der Täter sucht die Wohnung einer schwerhörigen 89-jährigen Frau im umliegenden Michelbach auf. Wie er ins Mehrfamilienhaus eindringt, ist unklar - in die Wohnung kommt er wohl, weil die Dame ihren Schlüssel regelmäßig von außen im Schloss stecken lässt. In der Wohnung schlägt er der Frau mit einem Hammer mehrmals »wuchtig« auf den Kopf, wie der Oberstaatsanwalt am Freitag berichtet. Sie erleidet ein offenes Schädel-Hirn-Trauma und stirbt.
Weil die Ermittler nicht nachweisen können, dass der Mann von der zweiten Frau ebenfalls etwas stehlen wollte, wurde hier auf Totschlag angeklagt. Sollte sich herausstellen, dass der Mann mit der Tat einen Diebstahl ermöglichen wollte, käme auch hier ein Schuldspruch wegen Mordes in Betracht, stellte der Richter am Freitag klar - »selbst wenn in diesem Fall nichts entwendet worden sein sollte«.
17. Januar 2023 - Gegen 14.10 Uhr sucht der Täter das Anwesen eines Mannes, ebenfalls über 80 Jahre alt, in Ilshofen im Kreis Schwäbisch Hall auf. Er trägt dabei eine auffällige Sonnenbrille. Als das Opfer die Tür öffnet, versetzt ihm der Angreifer einen Faustschlag ins Gesicht. Der alte Mann stürzt nach hinten auf eine Holztreppe. Der Angreifer richtet eine echt wirkende Spielzeugpistole auf sein Opfer und ruft: »Du Geld!«. Dann taucht plötzlich die Ehefrau auf, der Täter weicht überrascht einen Schritt nach hinten aus. Das Ehepaar nutzt die Chance, um die Tür zu schließen. Der Angreifer flieht. Der ältere Herr kommt mit Nasenprellung, Muskelverletzung und Schürfwunde davon. Durch seine Aussage können die Ermittler ein Phantombild zeichnen, das sie zum Verdächtigen führt.
Zeitweise vermuten die Polizisten, dass der Täter noch hinter anderen Gewaltverbrechen in der Region steht. Nur eine Woche vor dem mutmaßlichen Mord an der 77-Jährigen war etwa auch die Leiche einer 86-Jährigen in unmittelbarer Nähe entdeckt worden. Der Tod einer 94 Jahre alten Seniorin, deren Leiche im Oktober 2020 ebenfalls in der Nähe gefunden worden war, ist noch nicht aufgeklärt. Zusammenhänge hätten sich aber nicht bestätigt, sagte Lustig.
Der Oberstaatsanwalt geht davon aus, dass der Angeklagte eine lebenslange Freiheitsstrafe erhält, eventuell auch mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Er habe wohl gezielt Opfer hohen Alters ausgewählt, weil diese »leichte Beute« seien, sich schlecht wehren konnten. Zumindest in einem Fall sei zudem davon auszugehen, dass er sein Opfer beobachtet und einen günstigen Moment abgewartet habe.
Der Prozess wird viele Fragen beantworten müssen. Unklar ist etwa, ob der Serbe bereits in seiner Heimat gewalttätig geworden ist. Er war nach eigenen Worten mit seiner Frau sowie zwei Kindern erst Anfang Dezember 2022 nach Deutschland eingereist. Insgesamt sind 12 Verhandlungstage angesetzt.
Pressemitteilung der Polizei vom 1. Februar zur Festnahme des 31-jährigen Verdächtigen
Pressemitteilung der Polizei vom 26. Januar nach dem Fund der toten 89-Jährigen in Michelbach
Pressemitteilung der Polizei vom 18. Januar zu dem Raubüberfall auf den 83-Jährigen
Pressemitteilung der Polizei vom 29. Dezember 2022 nach dem Fund der toten 77-Jährigen
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