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Tübinger Zentrum ist seltenen Erkrankungen auf der Spur

In Deutschland gibt es rund vier Millionen Menschen mit seltenen Krankheiten. Bevor es Spezialzentren gab, mussten Kinder im Durchschnitt vier Jahre und Erwachsene acht Jahre auf eine sichere Diagnose warten.

Ein Stetoskop steckt in einem Arztkittel.
Ein Stetoskop steckt in einem Arztkittel. Foto: dpa
Ein Stetoskop steckt in einem Arztkittel.
Foto: dpa

TÜBINGEN. Am Tübinger Zentrum für seltene Erkrankungen (ZSE) werden jährlich rund 10.000 Patienten ambulant und stationär versorgt. Eine der größten Herausforderungen sei es, Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen eine schnelle und korrekte Diagnose zu ermöglichen, sagte Holm Graeßner, ZSE-Geschäftsführer.

Laut Bundesgesundheitsministerium geht man davon aus, dass es mehr als 6000 unterschiedliche seltene Erkrankungen weltweit gibt. Jährlich kämen etwa 250 neue seltene Erkrankungen hinzu. Gerade für diese Patientinnen und Patienten sei eine interdisziplinäre Versorgung wie etwa in Tübingen von elementarer Bedeutung, sagte Nadia Mussa, Leiterin der TK-Landesvertretung Baden-Württemberg, anlässlich des Tages der seltenen Erkrankungen am 29. Februar.

In der Universitätsstadt Tübingen wurde im Jahr 2010 bundesweit das erste Zentrum für seltene Erkrankungen (ZSE) gegründet. Mittlerweile gibt es allein in Baden-Württemberg fünf solcher Zentren, die an den Universitätskliniken in Freiburg, Ulm, Tübingen, Mannheim und Ulm angesiedelt sind. Diese sind ihrerseits aufgegliedert in 61 Zentren, die sich auf bestimmte Krankheiten spezialisiert haben wie zum Beispiel das Zentrum für seltene Herzmuskelerkrankungen in Ulm oder das Zentrum für seltene Blutkrankheiten in Heidelberg. In Tübingen werden rund 2000 unterschiedliche seltene Erkrankungen behandelt.

Von einer seltenen Erkrankung spricht man laut Graeßner, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen an ihr erkranken. »Die meisten seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt«, sagte Graeßner. Als häufigere seltene Erkrankung nannte er die Mukoviszidose, die auch Zystische Fibrose genannt wird. Eine ultraseltene Erkrankung sei die Xeroderma pigmentosum. Bei dieser erblich bedingten Hautkrankheit besteht ein Mangel an DNA-Reparaturenzymen, sodass schon wenig Sonnenlicht zu schweren Erbgutschäden und Hautkrebs führen kann.

Um belastbare Zahlen zur Häufigkeit einzelner seltener Erkrankungen zu erhalten, wurde für Krankenhäuser zum 1. April 2023 die gesetzliche Verpflichtung zur Kodierung von seltenen Erkrankungen im stationären Bereich eingeführt. Auf der nationalen Plattform »Orphanet Deutschland« werde Wissen über die seltenen Erkrankungen gesammelt und zur Verfügung gestellt.

Holm Graeßner ist Neurologe und Geschäftsführer des Zentrums für Seltene Erkrankungen Tübingen.  FOTO: PR
Holm Graeßner ist Neurologe und Geschäftsführer des Zentrums für Seltene Erkrankungen Tübingen. Foto: nicht angegeben
Holm Graeßner ist Neurologe und Geschäftsführer des Zentrums für Seltene Erkrankungen Tübingen.
Foto: nicht angegeben

Durch die Zusammenführung des gesamten verfügbaren Expertenwissens in Fallkonferenzen und durch die Anwendung eines bestimmten Verfahrens (Exom-Sequenzierung) könne bei rund 30 Prozent der Patientinnen und Patienten eine gesicherte Diagnose gestellt werden, betonte Graeßner. Und das passiere innerhalb eines halben Jahres. »Bevor dieses Verfahren etabliert wurde, mussten Kinder im Durchschnitt vier Jahre und Erwachsene acht Jahre auf eine sichere Diagnose warten.« Das Exom sind jene Teile des Erbguts, die Informationen zum Bau von Proteinen enthalten. Manche Mutationen können zu Fehlfunktionen von Proteinen führen und so Krankheiten verursachen. (dpa)

Bundesministerium der Gesundheit zu seltenen Erkrankungen

Netzwerk seltene Erkrankungen Baden-Württemberg