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Tübinger Experte: Wir müssen Mafia-Unterstützer ächten

Der Mafia-Experte und ehemalige Tübinger Sandro Mattioli sieht Fortschritte beim LKA und fordert die Beweislastumkehr

Razzia  in Eisdielen, wo  die Mafia ihr Geld gewaschen haben soll. (Symbolbild)
Razzia in Eisdielen, wo die Mafia ihr Geld gewaschen haben soll. (Symbolbild) Foto: Beckerbredel/dpa
Razzia in Eisdielen, wo die Mafia ihr Geld gewaschen haben soll. (Symbolbild)
Foto: Beckerbredel/dpa

TÜBINGEN/STUTTGART. Andreas Stenger, Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg sagte der italienischen Mafia kürzlich in einem Interview den Kampf an. Kurz zuvor hatten seine Ermittler Anfang April bei einer koordinierten Razzia in Aalen einen 46-jährigen Polizisten verhaftet, der Dienstgeheimnisse verraten haben soll. Für Mafia-Experte Sandro Mattioli, Journalist, Buchautor und Vorsitzender des Vereins Mafianeindanke ist es keine Überraschung, dass ein Polizist Informationen an die ’Ndrangheta weitergegeben hat. Er könne sich eher vorstellen, dass es noch mehr zweifelhafte Kontakte zwischen Strafverfolgern und Mafiosi geben könnte, so Mattioli. Es habe in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben – einige davon schildert er in seinem Bestseller »Germafia« – in denen Ermittlungen auf rätselhafte Weise nicht zu Ende geführt wurden.

Mattioli nimmt dem aktuellen LKA-Präsidenten ab, dass er es ernst meint mit dem Kampf gegen die ’Ndrangheta und Cosa Nostra in Baden-Württemberg. Stenger habe nicht nur in Interviews und Pressekonferenzen wiederholt auf dieses Thema hingewiesen, sondern er habe seinen Worten auch Taten folgen lassen, sagt Mattioli. »Es stehen dem LKA für den Kampf gegen die italienische organisierte Kriminalität nun mehr Leute zur Verfügung und das was Stenger inhaltlich sagt, ist sehr konstruktiv, etwa, dass eine Ermittlungsgruppe für Finanzkriminalität gebildet wurde.« Dass Stenger die Mafiabekämpfung so ernst nehme, könne daran liegen, dass er aus Mannheim komme, sagt Mattioli. In Mannheim haben die Cosa Nostra und die Stidda bereits 1993 und wohl auch 2013 Morde verübt und die Polizei beschäftigt – also auch während der Zeit in der Stenger im dortigen Polizeipräsidium arbeitete.

Andere Gegenden, um Geld zu waschen

Könnte es also gelingen, Baden-Württemberg für die Mafia unattraktiv zu machen? »Ich glaube schon, wenn man ihnen ans Geld geht und es für diese kriminellen Organisationen riskanter macht, hier zu investieren, dass sie sich dann andere Gegenden suchen, wo sie ihr Geld waschen«, sagt Mattioli. Allerdings sei das ein langer Weg. »Selbst wenn Stenger sofort nach seinem Amtsantritt 2021 angefangen hätte, die Strukturen für die Mafiabekämpfung zu verändern, dann würden die Erfolge erst jetzt langsam sichtbar«, sagt Mattioli. Hinzu komme, dass Stenger »als LKA-Präsident nur in seiner Behörde wirken kann« sei. »Noch wichtiger wäre es, wenn ein Signal aus der Politik käme, dass es den Kriminellen hier ans Geld geht«. Mattioli denkt dabei an Beschlagnahmen von Mafia-Restaurants, aber auch an die Umkehr der Beweislast bei der Einziehung von verdächtigem Vermögen. Dieses Vorhaben sei immerhin im Koalitionsvertrag der neuen Regierung enthalten.

»Den Kampf gegen die Mafia kann nicht ein Gewerk alleine gewinnen. Da müssen mehrere Institutionen zusammenarbeiten«, sagt Mattioli. Wenn die Pizzeria von Mario L. jahrelang weiter gut habe laufen können, obwohl dessen Mafia-Verbindungen bereits in den 1990er Jahren bekannt wurden, dann sei das kein Zeichen, dass die deutsche Bevölkerung den Kampf gegen die Mafia ernst nehme. »Man muss Mafia-Unterstützer schon auch ein bisschen ächten«, sagt Mattioli. Mario L., dessen achtjährige Haftstrafe wegen Mafia-Mitgliedschaft 2024 endgültig durch ein italienisches Kassationsgericht bestätigt wurde, war bekannt geworden, weil der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger, der später auch Ministerpräsident und EU-Kommissar war, in Mario L.s Pizzeria abgehört worden war. Mario L. konnte seinerzeit nur wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden.

Keine Liste von Gastwirten

Allerdings gibt es in Deutschland – anders als in Italien – keine Liste von Gastwirten, die nicht mit der Mafia zusammenarbeiten. »Wir haben bei unserem Verein Mafianeindanke am Anfang darüber nachgedacht, eine solche Liste anzufertigen, aber wir sind davon abgekommen, weil wir in Deutschland keine Möglichkeit haben, Gastwirte zu überprüfen. Es wäre eine große Blamage, wenn wir sagen, dass jemand sauber ist und dann kommt heraus, dass es doch nicht so ist.« In Italien arbeite der entsprechende Verein bei der Erstellung der Liste eng mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen.

»Wenn einer allerdings immer noch eine Pizza Cosa Nostra auf der Karte hat, dann muss man da nicht unbedingt hingehen. Da stimme ich Herrn Stenger zu, dass da nicht lustig ist.« (GEA)