STUTTGART. Bald hat die Stadt ihre gute Stube wieder – wobei aus der eine ziemlich coole Location geworden ist. Der Ratskeller im Souterrain des Rathauses soll Anfang Dezember nach einer Generalüberholung wieder öffnen. Das zumindest ist der Wunsch der Betreiber, die einen ersten Einblick gewährten.
Schon Tage zuvor war der neue Name »the ratskeller« wegen der ebenso neuen Imagekampagne der Landesregierung »the Länd« aufgeregt diskutiert worden. Man habe sich bereits im Januar für diesen Namen entschieden, erklärte die Gastronomin Denise Schuler. Die Begründung: »Wir bleiben immer der Ratskeller von Stuttgart, aber wir sind auch neu.« Sie wolle den Opa ebenso ansprechen wie die Enkeltochter, und sie würde sich freuen, wenn der Tourist aus Japan später daheim von »the ratskeller« schwärmen würde.
Architektonische Radikalkur
Die Stuttgarter sind schon »angefixt«. Noch bevor das Restaurant seinen Betrieb aufgenommen hat, gibt es offenbar bereits zahlreiche Reservierungen. Und auch die Stammtische wollen wiedergekommen. Kein Wunder, denn fünf lange Jahre war der Ratskeller geschlossen. Genau 9,47 Millionen Euro hat die Sanierung laut einer aktuellen Pressemitteilung der Stadt letztendlich gekostet.
Davon hat die Brauerei Dinkelacker als Pächterin nach eigenen Angaben 1,1 Millionen Euro übernommen. Der neue alte Ratskeller sei der größte unter den vier großen Gastronomiebetrieben des Unternehmens (Carls Brauhaus, Lautenschlager, Dinkelacker Brauereigaststätte) in der Innenstadt, erklärte der Verkaufsdirektor Til Odenwald. Er sprach von einem »Riesen-Kraftakt«, das Kellerlokal in ein offenes und einladendes Gastronomiekonzept zu verwandeln.
Neue Architektur
Die Neukonzeption des Architekturbüros Fasshauer aus Ebersbach entspricht einer Radikalkur. War der Ratskeller früher kleinteilig und abgeschirmt zur Umgebung, öffnet er sich jetzt zur Hirschstraße und zum Marktplatz hin und besteht im Innern aus verschiedenen Zonen, die trotzdem Sichtachsen bieten. Warme Holztöne treffen auf dunklen Stein. Die Highlights im Wortsinn sind die Stablampen mit edlen Glühbirnen im ansonsten eher rustikalen Bar-Bereich.
Er bildet die Klammer zwischen dem neu geschaffenen Tagescafé auf der Empore in Höhe der Hirschstraße, dem Arbeitsbereich mit goldener Tapete, braunen Ledersesseln und Tischlampen sowie dem eigentlichen Restaurant, in dem das denkmalgeschützte Original-Fresko »Weingärtnerwand« von Jakob Schober aus dem Jahr 1956 durch die mutige Rahmung und Beleuchtung zu einem echten Hingucker geworden ist.
Mehr als 300 Plätze
Weit mehr als 300 Plätze fasst der neue Ratskeller. Dazukommen drei Terrassen und zwei flexible Banketträume mit insgesamt knapp 200 Plätzen und die »the weinbar« im ehemaligen Stadtbesen mit knapp 20 Plätzen, die aber nicht rechtzeitig zur Eröffnung fertig werden wird. Hier soll das Angebot vom Aperitif bis zum Digestif reichen, und auch wer nur ein Glas Wein trinken möchte, ist gut aufgehoben.
Im Restaurant selbst wird das Regionale hochgehalten. Die Lieferanten aus der Umgebung, Hochland Kaffee zum Beispiel oder der Metzger Schneider, wurden darauf eingeschworen, in Sinne der Nachhaltigkeit möglichst viel Verpackungsmüll zu vermeiden. Fürs Gastro-Konzept hat sich Denise Schuler, deren Familie jahrelang die Wilhelma-Besucher verpflegt hat und die weiterhin auch das Rothaus im Gerber betreibt, Experten aus Frankfurt geholt. Vielleicht schärft ja der Blick von außen die Sicht auf die hiesige Befindlichkeit.
Image der »guten Stube« bleibt
Das Speisenangebot sei wie der Stuttgarter Kessel, nämlich ein Schmelztiegel, erklärte der Projektentwickler Sandro Ciani seine Idee. Bodenständigen Gerichten will er einen internationalen Touch verleihen. Dafür stehen etwa das Schwäbische Hummus aus Linsen statt aus Kichererbsen oder der vegane Vesperteller. Daneben soll es aber auch eine eigene Maultaschenkarte und den Sonntagsbraten zum Teilen geben. Denn so modern das Ambiente auch sein mag, so klar betont Denise Schuler: »Das Schwäbische ist uns ganz wichtig.«
Der Erste Bürgermeister Fabian Mayer, der entgegen der Ankündigung am Pressetermin wegen Corona doch nicht teilgenommen hat, gerät in der Mitteilung der Stadt umso mehr ins Schwärmen: »Hier werden sich politische Köpfe begegnen, Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger sowie Gäste aus aller Welt mit ganz unterschiedlichen Geschichten und Erfahrungen.« Der Ratskeller werde »die gute Stube« im Herzen der City bleiben. »Auch wenn er um drei viel diskutierte Buchstaben reicher geworden ist.« (GEA)