STUTTGART. Weltweit wird wieder mehr geflogen. Doch an den deutschen Flughäfen geht es langsamer voran als im europäischen oder weltweiten Vergleich. Der Flughafen Stuttgart (STR) macht da keine Ausnahme. Aber er erholt sich zunehmend vom Corona-Tief. Wurde 2019 das Allzeithoch mit 12,7 Millionen Passagieren erreicht, so brachen die Zahlen im Jahr 2020 mit nur noch 3,2 Millionen Fluggästen dramatisch ein. Inzwischen sind es wieder 9,1 Millionen – und für dieses Jahr rechnen die Flughafenchefs Ulrich Heppe und Carsten Poralla mit einem weiteren Wachstum um 5,5 Prozent auf dann 9,6 Millionen Passagiere.
Sollte das gelingen, wäre man nach nunmehr fünf Jahren mit roten Zahlen endlich wieder in der Gewinnzone. 2020 lag man im Ergebnis mit fast 97 Millionen Euro in den Miesen. Jahr für Jahr wurde der Fehlbetrag dann reduziert bis auf sechs Millionen in 2024. Dass der Flughafen eine so lange Durststrecke mit Verlusten halbwegs unbeschadet überstanden hat, liegt laut Heppe »an unserer hohen Eigenkapitalquote«.
»Destinationen mit niedrigen Preisen rücken in den Fokus«
Nun aber blicken die Chefs des Airports optimistisch in die Zukunft. Die repräsentative Reiseanalyse des Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) zeigte nämlich: Im Jahr 2023 hat das Flugzeug erstmals das Auto als Hauptverkehrsmittel bei Urlaubsreisen überholt. »Ich erwarte, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzt«, sagt die NIT-Projektleiterin Friedericke Kuhn. Offenbar ist die Inflation ein Grund für den Trend zu mehr Flugreisen. Kuhn: »Ob Unterkunft, Essen und Trinken oder Freizeitaktivitäten – vieles hat Einfluss aufs Gesamtbudget.« Und so kommt es, dass eine Reise nach Rom teils günstiger ist als ein Deutschlandurlaub, oder ein Trip nach Thailand günstiger kommt als die Auszeit in Portugal. »Destinationen, an denen die Preise niedriger sind, rücken besonders in den Fokus«, betont die Tourismusforscherin. Dazu zählt sie vor allem die Türkei, aber auch Montenegro und Albanien.
Damit die Flugreisenden mit einem besseren Gewissen in die Luft abheben, hat der Flughafen Stuttgart in Sachen Klimaschutz ehrgeizige Ziele. Mit der Klimastrategie STRzero soll der Betrieb »bis zum Jahr 2040 netto-treibhausgasneutral sein«, betont Carsten Poralla. Wichtigster Baustein auf dem Weg dahin sei die energetische Sanierung der in die Jahre gekommenen Terminals sowie aller Gebäude auf dem Campus. Poralla: »Für dieses Großprojekt werden wir mehr als zwei Milliarden Euro investieren.« Ziel sei es, »unsere Emissionen am Boden auf null zu bringen«. 2027 sollen die ersten Baumaßnahmen starten.
Doch was ist mit den Emissionen der Flugzeuge? Auch hier will der Airport seinen Beitrag leisten. Laut Poralla haben die Forschungsarbeiten der vergangenen Jahre gezeigt, dass Wasserstoff die Basis für umweltfreundliches Fliegen sein kann. Dies gelte »sowohl in einer Brennstoffzelle für Elektrotriebwerke als auch für die Produktion sogenannter Sustainable Aviation Fuels, kurz SAF«. Diese Flugkraftstoffe, die aus Biomasse, CO2 oder Wasserstoff hergestellt werden, seien die nachhaltige Alternative zu Kerosin. Ulrich Heppe ist ebenfalls überzeugt: »Klimaschonendes Fliegen mit Wasserstoff ist die Zukunft!« Der Flughafen wolle dies möglich machen. Heppe: »Wir bereiten unsere Infrastruktur darauf vor.«
»Mein Ziel war, die Maultasche auf dem Flughafen anzubieten«
Den Anrainerkommunen bereitet der Aufwind am Airport allerdings starke Kopfschmerzen. Denn mit dem Wiedererstarken des Luftverkehrs ist auch die Zahl der Flugbewegungen im Jahr 2024 auf mehr als 94.000 gestiegen. In den Coronajahren 2020 und 2021 war sie auf etwa 60.000 gesunken. Kein Wunder, dass die Schutzgemeinschaft Filder eine Revision des seit 2007 geltenden Fluglärmschutzgesetzes fordert. Denn bei der Leistungsgrenze hat man am Stuttgarter Flughafen noch reichlich Luft. 13 Millionen Fluggäste könnten selbst mit der nur einen vorhandenen Start- und Landebahn jährlich abgewickelt werden. Heppe: »Der limitierende Faktor sind eher unsere Terminals.«
Doch auch in den Terminals tut sich einiges. Die Gastronomie wurde neu ausgerichtet. Als erster deutsche Airport bietet Stuttgart im Terminal 2 beispielsweise Costa Coffee an. Auch im Terminal 3 und in den Übergängen gibt es neue Casual-Food-Angebote wie Goodman & Filippo, oder Deli. Besonders freut sich Poralla über Michael Wilhelmers Restaurant Erikas im Terminal 2, weil es regional ausgerichtet ist »mit einer schwäbisch-innovativen Küche«. Das Lokal des Stuttgarter Gastronomen Wilhelmer soll Mitte 2026 eröffnet werden. Der Flughafen-Chef: »Mein Ziel war immer, die Maultasche auf unserem Flughafen anbieten zu können!«
Entspannt sieht man beim Flughafen übrigens die Idee der Linksfraktion im Stuttgarter Gemeinderat, den städtischen Anteil am Flughafen zu verkaufen. Stuttgart hält immerhin 35 Prozent, das Land den Hauptanteil. Heppe aber weiß die beiden Gesellschafter hinter sich. Bei der jüngsten Aufsichtsratssitzung habe er deutliche Unterstützung sowohl von der Stadt als auch vom Land erfahren. Der Airport-Chef: »Ich glaube nicht, dass sich daran etwas ändert!« (GEA)