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Stuttgart: Mit Kleinkind im Aufzug gefangen

Seit August muss die Feuerwehr regelmäßig Vonovia-Mieter aus Hochhaus-Liften in Stuttgart retten. Klage angedroht.

Anandha Rangarajan und seine Tochter sind im Aufzug festgesessen.  FOTO: LG/ KOVALENKO
Anandha Rangarajan und seine Tochter sind im Aufzug festgesessen. FOTO: LG/ KOVALENKO
Anandha Rangarajan und seine Tochter sind im Aufzug festgesessen. FOTO: LG/ KOVALENKO

STUTTGART. Noch vor vier Wochen war die Hoffnung auf friedliche Feiertage groß im Nordbahnhofviertel. Die Handwerker rückten an, und eigentlich sollten die massiven Aufzugprobleme in zwei Hochhäusern von Deutschlands größtem Wohnungsunternehmen Vonovia damit Geschichte sein. Doch die Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Nach wie vor versetzen die anfälligsten Aufzüge der Stadt Hunderte Bewohnerinnen und Bewohner der Gebäude in Angst.

Einige Tage nach Weihnachten hatte Anandha Rangarajan ein Erlebnis der besonderen Art. »Wir waren gerade aus dem Urlaub zurückgekommen«, erzählt der junge Familienvater. Mit seinem Töchterchen im Kleinkindalter bestieg er den Lift und wollte zu seiner Wohnung fahren. Doch plötzlich ging nichts mehr. »Der Aufzug ist stecken geblieben. Meine Tochter wurde unruhig und begann zu weinen. Wir wussten nicht, wann Hilfe kommt. Das war keine schöne Situation«, erzählt er. Nach rund 20 Minuten rückte schließlich die Feuerwehr an und befreite die beiden.

Türmechanik macht Probleme

Für die Retter nichts Ungewöhnliches mehr. Denn inzwischen verzeichnet die Stuttgarter Feuerwehr in jüngerer Zeit 13 Einsätze in den beiden Hochhäusern Mönchstraße 3 und 5. Dazu kommt offenbar noch eine private Firma, die für Rettungen aus Aufzügen engagiert worden ist. Vonovia saniert seit August die jeweils zwei Aufzüge in den Gebäuden. Das löst Riesenärger aus. Denn die neuen Kabinen funktionieren nicht richtig, weil es technische Probleme an der Mechanik der Türen gibt. So bleiben die Kabinen immer wieder stecken oder funktionieren über Tage gar nicht. Außerdem müssen für die Arbeiten immer wieder Aufzüge außer Betrieb gesetzt werden. Mehrmals hieß es, die Schwierigkeiten seien in Kürze gelöst. Doch das ist bisher nicht passiert, was vor allem die Bewohner der oberen Etagen auf die Palme treibt.

Wegen der anhaltenden Probleme hatte die Vonovia-Mieterinitiative bereits die Stadt angeschrieben und ein Einschreiten gefordert. Bei der Verwaltung betont man allerdings, man kenne die Situation und stehe mit dem Unternehmen im Austausch. Das genügt den Mietern nun nicht mehr. Deren Anwalt hat erneut einen Brief ans Baurechtsamt geschrieben und droht mit rechtlichen Konsequenzen. »Es wurden seitens der Vermieterin keinerlei taugliche Maßnahmen ergriffen, um die Betriebssicherheit der Aufzüge herzustellen«, heißt es darin. Die Bewegungsfreiheit vieler Bewohner sei »enorm eingeschränkt«. Es bestehe zudem die Gefahr, dass in medizinischen Notfällen ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig erreichbar sei.

Die Mieterinitiative fordert das Baurechtsamt zum Eingreifen auf. »Es kann nicht sein, dass das Amt seiner Pflicht zur Gefahrenabwehr nicht nachkommt und die Bürger im Stich lässt«, heißt es in dem Schreiben. Die Menschen seien verzweifelt und mit den Nerven am Ende. Geschehe nun nichts, werde man die Stadt in die Verantwortung nehmen: »Dann können Sie mit einer Untätigkeitsklage beziehungsweise einem Antrag auf eine einstweilige Anordnung rechnen.«

Bei Vonovia betont man, es werde auf Hochtouren gearbeitet. Eine Mietminderung wurde bereits angekündigt. »Wir können es nach wie vor nur bedauern und versuchen wirklich alles, um schnellstmöglich die Situation zu klären«, sagt Sprecherin Bettina Benner. Vonovia selbst könne und dürfe allerdings keine Aufzüge warten, deshalb sei man auf die Aufzugsfirma als Dienstleister angewiesen. Und die tut sich offenbar äußerst schwer mit den Reparaturen.

256 Türflügel nachjustiert

Von dort heißt es, man sei fast täglich vor Ort und das »mit enormem Personaleinsatz«. Man habe bereits den Hersteller der Türen in die Verantwortung genommen. Zusammen mit ihm tausche man die Verschlussmechanik aus und stelle »die Türen so nach, dass ein funktionsfähiger Zustand erreicht wird«. Leider handele es sich um insgesamt 64 Türen mit 256 Türflügeln, die nachjustiert werden. Das bedeute einen großen zeitlichen Aufwand.

Vonovia geht inzwischen noch einen Schritt weiter. »Wir haben aufgrund der langen Dauer der Ausfälle ein Schadensgutachten beim TÜV Rheinland in Auftrag gegeben«, sagt Bettina Benner. Es werde am 18. Januar eine Begutachtung vor Ort stattfinden. Die langwierigen Probleme, so viel ist sicher, kosten auch das Immobilienunternehmen viel Geld, Zeit und Nerven. Doch damit ist den Bewohnern noch nicht geholfen. Die nutzen, wann immer möglich, die Aufzüge gar nicht oder bleiben gleich zu Hause. Und Anandha Rangarajan hofft, dass das Gefangensein im Aufzug für ihn und seine kleine Tochter ein einmaliges Erlebnis bleibt. (GEA)