Die Städte, Gemeinden und Landkreise in Baden-Württemberg haben trotz stark steigender Ausgaben im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Euro mehr eingenommen als ausgegeben - so viel wie in keinem anderen Bundesland. Das geht aus dem Kommunalen Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Ein Grund für die gute Finanzlage der Kommunen ist demnach die starke Wirtschaft im Südwesten, die hohe Steuereinnahmen bescherte. So nahmen die Städte, Gemeinden und Landkreise im vergangenen Jahr dem Bericht zufolge 19,4 Milliarden Euro aus der Gewerbe-, der Einkommens- und der Grundsteuer ein. Laut Bertelsmann-Stiftung ein Plus von 24 Prozent im Vergleich zu vor fünf Jahren. Damit liegt Baden-Württemberg im Bundesvergleich und auf die Einwohnerzahl gerechnet an Platz drei, hinter Hessen und Bayern.
Allerdings fallen die Einnahmen regional unterschiedlich aus. Laut Finanzreport erzielten die Städte Ulm und Stuttgart pro Einwohner doppelt so viele Steuereinnahmen wie die Gemeinden im Landkreis Calw oder im Neckar-Odenwald-Kreis. Die Unterschiede seien aber nicht so groß wie im Nachbarland Bayern, schreiben die Autoren der Studie, die alle zwei Jahre veröffentlicht wird.
Im bundesweiten Vergleich haben die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg auch hohe Finanzpolster angespart. Dem Bericht zufolge stiegen die Rücklagen der Kommunen auf über 13 Milliarden Euro an. Kassenkredite, quasi die Dispo-Kredite der Kommunen, sind den Studienautoren zufolge im Südwesten kein Thema. Zugleich seien die kommunalen Investitionen im vergangenen Jahr auf ein Rekordhoch von 6,5 Milliarden Euro gestiegen.
Der Städtetag Baden-Württemberg verweist beim Thema Kassenkredite auf das strenge kommunalen Haushaltsrecht im Land. »Statt die laufenden Ausgaben über Kassenkredite zu finanzieren, sind die Kommunen gezwungen, besonders sparsam zu wirtschaften und höhere Bedarfe über entsprechend hohe Einnahmen, insbesondere über kommunale Steuern und Gebühren, zu decken«, so der Kommunalverband in einer Reaktion. Dies sei enorm abhängig von der Konjunktur, besonders steuerstarke Kommunen seien davon betroffen, aus diesem Grund müssen demnach hohe Rücklagen aufgebaut werden, um Schwankungen abzufangen.
Der Städtetag mahnte zudem die hohen Kosten für Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur an, die in den kommenden Jahren anfallen und das aktuelle Ergebnis relativieren könnten. Ähnlich hatte sich kürzlich der Gemeindetag geäußert und wegen der vielen Aufgaben beim Umbau der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit einen größeren Anteil am Steuerkuchen gefordert.
Den Umbau der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und weniger CO2-Emissionen müssten vor allem Städte und Gemeinden schultern. »Es ist eben in erster Linie die kommunale Ebene, die Wärmenetze vorantreibt, die die Energiewende vorantreibt und die am Ende für die Verkehrswende eintreten soll«, sagte Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetages Baden-Württemberg. Er fordert deswegen, dass mehr Einnahmen des Staates an die Gemeinden fließen müssen. »Wenn wir das wollen, dann müssen wir mehr Anteile der Umsatzsteuer an die Kommunen geben.«
Jäger schob zudem am Mittwoch nach: »Der Finanzreport verzerrt die aktuelle Situation, denn letztlich ist es nur der Blick in die Vergangenheit.« Die Situation ist aus seiner Sicht nicht nur sehr vielfältig, sondern auch insgesamt rückläufig. Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Alexis von Komorowski, sieht ebenfalls eine zunehmende strukturelle Schieflage bei den Kommunalfinanzen. »Bei den Landkreisen etwa steigt der Zuschussbedarf für den Sozialbereich kontinuierlich an.« Auch Komorowski fordert daher einen größeren Anteil an den Gemeinschaftssteuern.
Die Experten der Bertelsmann-Stiftung sehen die Kommunen im Land dagegen finanziell gut gerüstet für die Zukunft. »Die baden-württembergischen Kommunen sind finanziell in der Position, ihre Aufgabe der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit zu erfüllen«, heißt es in der Studie.
Der kommunalpolitische Sprecher der AfD im Landtag, Daniel Lindenschmid, warf dem Land vor, die Kommunen mit Bürokratie, Klimavorschriften und der Migrationspolitik zu überfordern. »Wenn sich dies nicht bald ändert, werden wir solch erfreuliche Zahlen in der Zukunft nicht mehr sehen.«
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