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Strobl rechtfertigt sich im U-Ausschuss

Der Innenminister gab in der Polizei-Affäre ein Anwaltsschreiben an die Presse. Die Opposition fordert Strobls Rücktritt, im U-Ausschuss rechtfertigt er sich. Sein politisches Schicksal liegt in der Hand der Staatsanwaltschaft - gab es schon ein Angebot für einen Deal?

Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Polizei-Affäre
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, sitzt im Landtag an seinem Platz. Foto: Bernd Weißbrod
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, sitzt im Landtag an seinem Platz.
Foto: Bernd Weißbrod

Zehn Minuten vor Beginn seines Auftritts vor dem Untersuchungsausschuss kommt Thomas Strobl am Landtag an. »Ich wäre lieber bei der Weinlese in Heilbronn«, sagt der Innenminister und schaut in den strahlend blauen Himmel über Stuttgart. Der 62 Jahre alte CDU-Politiker war im Mai schwer in Bedrängnis geraten, doch über die Sommerpause beruhigte sich die öffentliche Debatte um seine Rolle in der sogenannten Polizei-Affäre. Entsprechend entspannter als noch vor wenigen Monaten gibt sich der Minister als Zeuge am Freitag im U-Ausschuss in Stuttgart.

Trügerische Ruhe? Alle warten auf die Staatsanwaltschaft

Aber kann sich der erfahrene Politprofi sicher sein, dass er heil durch die nächsten Wochen oder vielleicht Monate kommt? Es könnte eine trügerische Ruhe sein. Selbst die Opposition, die schon im Mai seinen Rücktritt fordert, weiß: Am Ende entscheidet wohl die Staatsanwaltschaft über Strobls politisches Schicksal. Die Anklagebehörde ermittelt gegen den Minister, weil er Ende Dezember ein Schreiben des Anwalts des suspendierten Inspekteurs der Polizei an einen Journalisten weitergegeben hat. Gegen den ranghöchsten Polizisten wird wegen sexueller Belästigung ermittelt. Durfte Strobl als Dienstherr des Beschuldigten das Schreiben öffentlich machen?

Zwei Tage vor Weihnachten rattert das Faxgerät im Ministerium

Das Schreiben rattert am 22. Dezember 2021 um genau 22.06 Uhr - wie Strobl erzählt - durch das allgemeine Faxgerät des Innenministeriums. Der Minister lässt es am nächsten Tag an einen Journalisten weiterleiten. Als Grund führt Strobl auch am Freitag wieder an: Der Anwalt des schon suspendierten Inspekteurs habe ihm ein »vergiftetes Angebot« gemacht. Dieser habe ihm in dem Schreiben signalisiert: »Lass uns doch darüber mal reden, wir kennen uns doch, wir haben doch volles Vertrauen zueinander«, erklärt Strobl.

»Das musste einfach raus«: Strobl hält das Fax für »brandgefährlich«

Er habe jeden Anschein, es könnte einen »Hinterzimmer-Deal« geben, vermeiden wollen. »Es gibt eben Sachverhalte, die nicht verhandelbar und diskutabel sind.« Er habe sich entschieden, das Schreiben an den Journalisten zu geben und dabei das Interesse der Öffentlichkeit als gewichtiger eingeschätzt als den Datenschutz. Der Minister räumt ein, dass er vor der Herausgabe keine förmliche Rechtseinschätzung dazu eingeholt habe. Er habe kurz vor Weihnachten befürchtet, dass das »brandgefährliche Schreiben« über andere Wege an die Presse gelangt und ein schlechtes Licht auf sein Haus werfen könnte. »Das musste einfach raus. Da hat die Uhr getickt.«

Nach der Veröffentlichung des Schreibens wird die Staatsanwaltschaft aktiv. Die Ermittlungen werden aber schon bald vom Innenministerium ausgebremst. Geht es um den Verdacht der Verletzung des Dienstgeheimnisses, brauchen die Ermittler eine Ermächtigung des Ministeriums. Die Opposition wirft Strobl vor, Ermittlungen zu behindern. »Wo es kein Geheimnis gibt, kann man kein Geheimnis verraten«, sagt Strobl am Freitag. Die Vorwürfe des Geheimnisverrats und der Strafvereitelung seien substanzlos und bösartig. Das werde allein schon damit bewiesen, dass es an die allgemeine Faxadresse ging und damit potenziell vielen Personen zugänglich war.

Staatsanwaltschaft macht dem Redakteur ein Angebot

Die Staatsanwaltschaft ermittelt dennoch seit Anfang Mai gegen den Minister - und den Journalisten. Der Vorwurf: Er soll den Journalisten der »Stuttgarter Nachrichten« dazu angestiftet haben, aus Verfahrensakten zu zitieren. Seit der Durchsuchung im Ministerium am 6. Mai hat sich die Behörde nicht mehr zu der Causa geäußert. Doch jetzt wurde über einen Umweg etwas Neues bekannt: Nach Angaben des Chefredakteurs der »Stuttgarter Nachrichten«, Christoph Reisinger, hat die Staatsanwaltschaft dem beteiligten Redakteur Mitte August die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldzahlung angeboten. Der Redakteur habe dies jedoch abgelehnt. Der Redakteur und seine Zeitung seien der Meinung, er habe sich in dieser Angelegenheit nicht das Geringste zuschulden kommen lassen, schrieb Reisinger am Donnerstag in den »Stuttgarter Nachrichten«.

Bekam der Innenminister eine ähnliche Offerte? 

Das Angebot an den Redakteur ist auch deshalb brisant, weil es nun denkbar erscheint, dass auch Strobl eine Offerte für einen Deal erhalten hat oder noch erhalten könnte. Die Staatsanwaltschaft lehnte eine Stellungnahme dazu ab. »Wir erteilen momentan keine Auskünfte, es handelt sich um ein laufendes Verfahren«, sagte ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die »Stuttgarter Nachrichten« schrieben, dass die Staatsanwälte den Brief des Anwalts des Inspekteurs an den Minister als amtliches Schreiben einschätzen.

Der Minister weigerte sich am Freitagabend die Frage des SPD-Abgeordneten Sascha Binder zu beantworten, ob er ein solches Angebot von der Staatsanwaltschaft bekommen hat. »Aus meiner Sicht ist das eine unzulässige Frage.« Diese sei durch den Untersuchungs-Umfang des Ausschusses nicht gedeckt. In nicht-öffentlicher Sitzung stellte das Gremium dann aber fest, dass die Frage zulässig sei. Strobl berief sich nach längerem Hin und Her schließlich - wieder in öffentlicher Sitzung - auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und verwies auf das Schweigen der Staatsanwaltschaft.

Die eigentliche Affäre um den Inspekteur

Strobl beklagte in seiner Aussage mehrfach, dass das eigentliche Thema der Affäre, nämlich sexueller Missbrauch bei der Polizei, aus dem Mittelpunkt geraten sei. In der Tat wiegen die Vorwürfe schwer. Der Inspekteur der Polizei soll eine Hauptkommissarin sexuell belästigt haben, ihr einen Deal angeboten haben nach dem Motto »Sex gegen Karriere«. Die Frau meldete den Vorfall, gegen den Inspekteur wird ermittelt. Er selbst hat sich öffentlich nicht dazu geäußert.

Klar ist: Der Fall ist für die Landespolizei eine Katastrophe. »Es ist für das Ansehen der Polizei ganz schlimm«, räumt Strobl am Freitag noch einmal ein. Alle hätten sich in dem Mann getäuscht. Dieser habe einen exzellenten Ruf in der Polizei und im Ministerium genossen. »Nie hatte ich irgendetwas Negatives über ihn gehört«, erzählt der Minister. Der Polizist wurde mit 47 Jahren der jüngste Inspekteur in der Landesgeschichte. »Ja, ich hielt große Stücke auf ihn«, sagt Strobl. Dennoch sei die Wahl nach dem Leistungsprinzip erfolgt. Als Inspekteur war er auch ausgerechnet verantwortlich für die Wertekampagne in der Landespolizei. Strobl sagte, er sei traurig und enttäuscht über die Entwicklung.

© dpa-infocom, dpa:220922-99-862096/9