Fast 15 Stunden lang hat Innenminister Thomas Strobl dem Untersuchungsausschuss zur sogenannten Polizei-Affäre Rede und Antwort gestanden. Die Befragung endete am frühen Samstagmorgen um 00.50 Uhr im Landtag in Stuttgart. Die Opposition aus SPD, FDP und AfD nahm den Minister seit dem frühen Nachmittag ins Kreuzverhör. Sie werfen dem CDU-Politiker Geheimnisverrat und einen Verstoß gegen den Datenschutz vor, weil er ein Schreiben des Anwalts des suspendierten Inspekteurs der Polizei an einen Journalisten weitergegeben hat. Gegen den ranghöchsten Polizisten wird wegen sexueller Belästigung ermittelt.
Strobl verteidigte am Freitag immer wieder sein Vorgehen. Er habe sich entschieden, das Schreiben an den Reporter zu geben und dabei das Interesse der Öffentlichkeit als gewichtiger eingeschätzt als den Datenschutz. Denn der Anwalt habe ihm ein »vergiftetes Angebot« gemacht, in dem er quasi auf dem kleinen Dienstweg die Vorwürfe klären wollte. Strobl betonte erneut, er habe jeden Anschein, es könnte einen »Hinterzimmer-Deal« geben, vermeiden wollen und habe deshalb das Schreiben an den Journalisten gegeben.
Der U-Ausschuss soll sexuelle Belästigung bei der Polizei ebenso beleuchten wie die Beförderungspraxis und die Handlungen Strobls. Entscheidend für das weitere politische Schicksal des 62-jährigen Ministers und CDU-Landeschefs sind aber die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn. Der Vorwurf: Er soll den Journalisten der »Stuttgarter Nachrichten« dazu angestiftet haben, aus Verfahrensakten zu zitieren. Auch gegen den Reporter wird ermittelt.
Die Anklagebehörde hat nach Angaben der »Stuttgarter Nachrichten« dem beteiligten Redakteur Mitte August die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldzahlung angeboten. Der Redakteur habe dies jedoch abgelehnt. Dieses Angebot ist auch deshalb brisant, weil es nun denkbar erscheint, dass auch Strobl eine solche Offerte erhalten hat oder noch erhalten könnte. Die Staatsanwaltschaft lehnte eine Stellungnahme dazu ab.
Auch Strobl weigerte sich am Freitagabend die Frage des SPD-Obmanns Sascha Binder zu beantworten, ob er ein solches Angebot von der Staatsanwaltschaft bekommen habe. Er berief sich nach längerem Hin und Her auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Sollte er tatsächlich ein solches Angebot der Ermittlungsbehörde erhalten haben, könnte es eng für ihn werden. Denn auch in der CDU wird dem Vernehmen nach bezweifelt, dass der Minister in dem Fall im Amt bleiben kann.
Binder sagte nach der Sitzung, es sei einmalig, dass ein Innenminister vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, »weil er sich sonst damit selbst belasten könnte«. Er sei erstaunt gewesen, dass Strobl bei ziemlich vielen Dingen nicht beteiligt oder unwissend gewesen sei. So habe der Minister wenig Ahnung gehabt, wie ein Auswahlverfahren für den Inspekteur der Polizei läuft.
FDP-Obfrau Julia Goll blieb trotz der Aussage Strobls dabei, dass der Minister ohne Not das Anwaltsschreibens an die Presse gegeben habe. »Für mich ist das völlig unschlüssig.« Die Länge der Sitzung habe auch an Strobl gelegen. »Den Antworten hat eine gewisse Stringenz gefehlt.«
Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand sagte, der Erkenntnisgewinn im Hinblick auf das Anwaltsschreiben habe sich in Grenzen gehalten. Hierzu sei schon vorher das meiste bekannt gewesen. Für ihn sei wichtig, dass es nach dem Ausschuss gelinge, »Gelegenheitsstrukturen für sexualisierte Gewalt in der Landesverwaltung entschiedener entgegenzutreten«. CDU-Obfrau Christiane Staab beklagte, die Opposition habe immer wieder Fragen gleichen Inhalts gestellt. Strobl habe die Vorwürfe gegen ihn überzeugend entkräftet.
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