Im juristischen Streit um den Spitzenposten am Oberlandesgericht Stuttgart will die SPD den Richterwahlausschuss mit an Bord holen. Der SPD-Politiker Boris Weirauch beantragte beim Verwaltungsgericht, dass das Gremium zu dem anhängigen Eilverfahren beigeladen wird. Justizministerin Marion Gentges (CDU) verhindere mit ihrer Klage die Einberufung des Richterwahlausschusses, den das Gesetz im Fall einer nicht erfolgten Einigung zwischen Justizressort und Präsidialrat als Entscheidungsgremium eingerichtet habe, kritisierte Weirauch in Stuttgart. Er ist selbst Mitglied des Wahlausschusses.
Die CDU-Politikerin ist gegen den Vorschlag eines aus Richterinnen und Richtern zusammengesetzten Gremiums und brachte eine andere Kandidatin als neue Präsidentin für das Stuttgarter Oberlandesgericht ins Spiel. Weil diese aber vom sogenannten Präsidialrat abgelehnt wurde, hat das Ministerium eine einstweilige Verfügung beantragt, damit ein Gericht über die Frage entscheiden kann. Über die Beiladung muss nun die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts entscheiden, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Weiterhin ist völlig offen, wann sich das Gericht mit dem komplexen Thema befasst. Die durchschnittliche Verfahrensdauer für Eilverfahren beträgt zwischen zwei und drei Monaten.
Der Richterwahlausschuss im Südwesten besteht aus 15 Mitgliedern, darunter sechs Abgeordneten. Die Justizministerin oder ihr ständiger Vertreter führen den Vorsitz, aber sind ohne Stimmrecht. Weirauch sagte, Abgeordnete sollten nichts unversucht lassen, dass das gesetzmäßige Verfahren bei der Richterwahl eingehalten werde. »Die Ministerin scheut offenbar die Diskussion im Richterwahlausschuss. Offenbar scheint sie selbst nicht daran zu glauben, dass ihre Wunschkandidatin dort auf Zustimmung stößt.«
Die innenpolitische Sprecherin der FDP, Julia Goll, die zugleich Mitglied im Richterwahlausschuss ist, sagte, die Justizministerin versuche bekanntlich, die in diesem Verfahren eigentlich zu beteiligenden Gremien auszuhebeln. »Über den Vorgang der Beiladung kann zumindest ein Mindestmaß an Beteiligung des Richterwahlausschusses im gerichtlichen Verfahren gewahrt werden; wir begrüßen dieses Vorhaben daher ausdrücklich.«
Der Vorgang rund um die OLG-Kandidatur und die Nachfolge von Cornelia Horz hat Seltenheitswert in der jüngeren Justizgeschichte. Die bisherige OLG-Präsidentin ist seit Mai im Ruhestand.
Gentges hatte für den vakanten OLG-Leitungsposten Beate Linkenheil favorisiert - und dem Präsidialrat der Richter vorgeschlagen. Er darf überprüfen, ob Fehler vorliegen. Dort wurde die Abteilungsleiterin im Justizministerium allerdings abgelehnt. Der Präsidialrat sprach sich für Andreas Singer aus, den Präsidenten des Stuttgarter Landgerichts.
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