Der Steuerzahlerbund im Südwesten hat der Landesregierung ein Hamstern in der Finanzpolitik und ein Unterlaufen der Schuldenbremse vorgeworfen. Die Regierung habe über die vergangenen Jahre knapp 24 Milliarden Euro an Verschuldungsrechten angehäuft, die sie gar nicht brauche, sagte Professor Bernd Raffelhüschen von der Uni Freiburg am Mittwoch in Stuttgart bei der Vorstellung einer Studie zu dem Thema. Die Kontrolle durch das Parlament finde nicht mehr statt. Das Finanzministerium entgegnete, dass man die Kreditermächtigungen benötigen würde.
Zu Beginn der Corona-Krise habe man sehr hohe Steuereinnahmen gehabt, sagte Raffelhüschen. »Wir hätten die Schuldenbremse halten können, aber wir haben zusätzliche Kredite bewilligt«, kritisierte er. Er sprach von einem »24-Milliarden-Euro-Hamstervorrat«. Die Einhaltung der Schuldenbremse könne man die nächsten Jahre »aus den Pausbacken« heraus finanzieren. Der Professor sprach von einem Schlupfloch für die Schuldenbremse. Würde man aber die Verschuldungsrechte einlösen, würde das Land heute deutlich mehr Zinsen zahlen als in den vergangenen Jahren. »Das würden wir nicht durchstehe«, sagte er mit Blick auf die Belastung im Haushalt.
»Der Landtag sollte einen restriktiveren Haushaltskurs fahren«, sagte der Vorsitzende des Steuerzahlerbunds, Eike Möller. Zudem sollte geprüft werden, ob es die Ausgabereste in Höhe von 7,7 Milliarden Euro im Haushalt wirklich brauche oder ob man nicht Einsparungen vornehmen könne. Die Kreditaufnahme müsse reduziert werden.
Die Schuldenbremse gilt im Land seit Anfang 2020. In Ausnahmefällen wie unvorhergesehenen Notlagen und konjunkturellen Einbrüchen erlaubt sie trotzdem die Aufnahme von Krediten. Das Land hat in den vergangenen Jahren milliardenschwere Kreditbewilligungen angehäuft - diese Schulden wurden noch nicht aufgenommen am Kreditmarkt. »De facto stellt diese Haushaltsführung einen Bruch der Schuldenbremse dar«, teilte der Steuerzahlerbund mit.
»Ausgabendisziplin sollte weiterhin ein zentrales Element der Haushaltspolitik bleiben«, forderte der Verband Unternehmer Baden-Württemberg. Hauptgeschäftsführer Oliver Barta forderte eine konsequente Priorisierung der Ausgaben »mit Fokus auf Stärkung unseres Standorts«.
»Jahrelang hat das Land Jahresüberschüsse produziert und etwaig eingeplante Kredite nicht benötigt, diese Schuldenrechte blieben aber bestehen und häuften sich auf«, sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stephen Brauer. »Auch die ständig steigenden Ausgabenreste sind ein Ärgernis, zeigen diese doch, dass vieles angefangen wird, aber zu wenig beendet.« Das Förderungswesen habe unter Grün-Schwarz weiter zugenommen. Mit Kreditrechten fast in Höhe eines halben Jahreshaushalts hebele man den Landtag als Haushaltsgesetzgeber aus.
Das Finanzministerium betont, dass die aufgeschobenen Kreditermächtigungen im Haushalt von den Corona-Krediten getrennt betrachtet werden müssten. Die Corona-Kreditermächtigungen seien in vollem Umfang tatsächlich benötigt worden. »Diese Kreditermächtigungen waren entscheidend dafür, dass das Land in der Pandemie handlungsfähig war«, sagte ein Sprecher.
Darüber hinaus gebe es keine aufgeschobenen Kreditermächtigungen, um Geld zu hamstern. »Sie werden benötigt, sobald die Mittel für bereits vorgesehene und beschlossene Maßnahmen abfließen, also zur Finanzierung von Ausgaberesten und bei der Inanspruchnahme von Rücklagen.« Verbindliche Ausgaben, die sich verschoben haben, müssten finanziell hinterlegt werden, auch wenn die Finanzierung erst in Zukunft fällig werde, so die Argumentation des Ministeriums. Freie Mittel würden stets belegt mit konkreten Maßnahmen.
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