Wegen der anhaltenden Trockenheit drohen den baden-württembergischen Bauern nach Einschätzung ihres Verbandspräsidenten zum Teil dramatische Ernteausfälle. Betroffen sei vor allem der Norden des Landes, sagte Landesbauernpräsident Joachim Rukwied und warnte: »Wenn zeitnah keine ergiebigen Niederschläge kommen, rechnen wir hier bei fast allen Kulturen mit erheblichen Ernteeinbußen von bis zu 50 Prozent«. Die fehlenden Niederschläge hätten in fast allen Getreidekulturen und bei Raps zu Ausfällen geführt. Belastet werde die Branche zudem durch Lieferengpässe und die gestiegenen Kosten für Diesel, Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie für Futter.
Mit Sorgen blicken die Bauern vor allem auf Pflanzen, die später im Jahr geerntet werden, darunter Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln und Soja. »Die Herbstkulturen leiden massiv unter Wassermangel und Hitzestress«, sagte Rukwied. Grünland und Mais seien zum Teil vertrocknet. Einige Tierhalter fütterten schon Winterfutter zu, da sie kein Grünfutter mehr schneiden könnten. »Einige Schäden sind bereits irreparabel« sagte Rukwied. »Nur wenn es in den kommenden zwei Wochen eine längere Zeit regnet, könnten die Landwirte noch etwas ausgleichen. Aber danach sieht es nicht aus.«
Die Getreide- und Rapsernte ist hingegen in weiten Teilen des Landes abgeschlossen. Die Ertragsspanne zwischen den einzelnen Regionen sei sehr groß ausgefallen, bilanzierte Rukwied. So mussten die Bauern in Nordwürttemberg und Nordbaden nach seinen Angaben teils erhebliche Ertragseinbußen hinnehmen. »Die Regionen südlich von Stuttgart haben dagegen eine gute Ernte eingefahren«, sagte er. Der Grund: In Südwürttemberg und Oberschwaben habe es in den entscheidenden Wachstumsphasen vor dem Sommer noch geregnet. Extremes Wetter wie Starkregen oder Hagel hätten die Landwirtschaft zudem kaum geplagt. »Entscheidend für das Ernteergebnis waren in diesem Jahr Zeitpunkt und Umfang der Niederschläge sowie die Bodenqualität«, sagte der Bauernpräsident.
Mit einer Fläche von 213.700 Hektar ist der Winterweizen weiterhin die Hauptkultur in Baden-Württemberg, gefolgt von Winter- (82.000 Hektar) und Sommergerste (61.100 Hektar).
Bereits vor wenigen Tagen hatte der Landes- und Bundesbauernpräsident gesagt, die Landwirtschaft richte sich zwar mit wasser- und bodenschonenden Verfahren auf trockenere und heißere Sommer ein. »Aber letztendlich ist eben zu befürchten, dass wir durch die Klimaveränderung zukünftig nicht mehr das Ertragsniveau der 90er Jahre beispielsweise erreichen können.«
Hier setzt auch die Kritik der FDP an. Vor allem kleinere Familienbetriebe könnten kaum selbst für eine ausreichende Risikovorsorge gegen Wetterextreme sorgen, sagte FDP-Agrarexperte Georg Heitlinger. Teure Speicherbecken und Zuleitungen zur Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen seien Mangelware. »Aufgrund der kleinteiligen Betriebsstrukturen sind die Investitionskosten für einen Einzelbetrieb kaum tragbar«, sagte der FDP-Politiker. Landwirte bräuchten unbürokratische und wirtschaftliche Lösungen, wie beispielsweise neue Züchtungstechnologien, um sich für den Klimawandel zu wappnen.
Die Liste der Probleme für die Bauern geht derzeit aber noch weit über das Wetter hinaus: Auch die gestiegenen Energiepreise, beispielsweise für Diesel, machen Landwirten in Baden-Württemberg enorme Sorgen. Für Dünge- und Pflanzenschutzmittel müssen sie in diesem Jahr zudem zum Teil das das Vierfache bezahlen, das Futter wird teurer und die Lieferengpässe bei Ersatzteilen oder Maschinen machen sich ebenfalls bemerkbar. »Das belastet unsere Familienbetriebe schwer«, sagt der Bauernpräsident.
Er sieht auch die Verbraucher in der Verantwortung. Sie griffen wegen der hohen Inflation häufiger zu günstigeren Erzeugnissen, beispielsweise aus Südeuropa oder aus Drittländern. »Die regionale baden-württembergische Ware bleibt liegen«, beklagte Rukwied. Er erwartet, dass die Landwirte ihre Preise erhöhen werden. »Das müssen sie tun, um überhaupt weiter wirtschaften zu können«, sagte der Verbandschef.
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) sieht auch den Bund in der Pflicht. Er fordert wegen der nationalen Bedeutung staatlich unterstützte Versicherungslösungen für die Bauern. Risikoversicherungen müssten gemeinsam von Bund und Ländern finanziert werden. Das könne für mehr Gerechtigkeit zwischen den Ländern sorgen, sagte Hauk.
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