KONSTANZ. Sylke Wiechmann hat einen der seltsamsten Berufe am Bodensee. Mit einem speziellen Gerät schöpft sie Wasser aus dem Bodensee und füllt es ab. Die Probe wird später von den Limnologen der Universität Konstanz analysiert. Die Fachleute für Binnengewässer befahren einmal in der Woche den Bodensee, nehmen Proben und werten sie aus. Wiechmann gehört zu einem sechsköpfigen Team, das regelmäßig unterwegs ist.
In Konstanz sitzt die südlichste Universität des Landes. Die akademische Beobachtung des Sees liegt nahe, dafür hat sich die Hochschule eine feste Struktur geschaffen. Seit 1970 dient das Schiff »Robert Lauterborn« den Forschenden als schwimmendes Labor. Sechs Frauen und Männer arbeiten dort zusammen. Sie steuern vom Konstanzer Hafen Richtung Überlinger See, um dort eine Probe zu entnehmen. Die »Robert Lauterborn« ist mit Kränen und hydraulischen Hilfen ausgestattet, um Wasser an Bord zu holen. Und sie beherbergt ein kleines Labor inklusive Inversmikroskop und Binokular. Das ehemalige Ausflugsschiff fungiert als ökologische Spürnase und Seismograf. Die regelmäßige Untersuchung des Wassers zeigt den Wissenschaftlern genau an, wie es um das größte Gewässer in Baden-Württemberg steht.
Begeisterung für Plankton
David Schleheck leitet die kleine Mannschaft an Bord. »Ein Limnologe arbeitet nicht nur am Schreibtisch«, sagt er, und man merkt ihm an, dass er den Einsatz in der Natur dem Büro vorzieht. Der Professor für Limnische Mikrobiologie klingt begeistert, wenn er von diesem Kosmos namens Bodenseeplankton spricht. Je kleiner die Lebewesen, desto interessanter. Das Wasser, das direkt unter der Oberfläche entnommen wird, hängt ziemlich trüb im Glas. Es lockt weder zum Baden noch zum Trinken. Doch Schleheck freut sich an dem Wimmelbild im Glas. Kleinstlebewesen schweben durch das Wasser, Zooplankton und Phytoplankton. Ohne diese Mikroorganismen würde vielen anderen Lebewesen die Lebensgrundlage fehlen.
Wie geht es dem Bodensee hinsichtlich der Wasserqualität? Schleheck und seine Kollegin Sabine Schmidt-Halewicz sind sich einig: Es geht ihm mindestens in diesem Punkt gut. Dennoch sieht die Limnologin »viele Probleme, die dem Gewässer zu schaffen machen. Keiner kann vorhersagen, ob sie nicht die Qualität des Trinkwassers beeinflussen.«
Im Labor des Schiffes deuten die beiden auf Schaubilder, die die Gesundung des Gewässers zeigen. Um 1980 galt der Bodensee noch als kranker Mann. Schmutzwasser lief ungeklärt in den See, der deshalb hochgradig mit Phosphor belastet war. Das war gut für die Fischerei und schlecht für alle anderen. Dem See ging es schlecht, einige Limnologen vertraten damals die Ansicht, dass er kurz vor dem Kippen stehen würde. An einigen Stellen wurde vom Baden abgeraten. Mit dem Bau von Kläranlagen besserte sich die Lage greifbar. Der Bodensee heute ist gesund, berichtet Schleheck.
Es ist kein Zufall, dass die »Robert Lauterborn« zwischen Wallhausen und Überlingen ankert, um dort das Wasser zu testen. Denn nur einige Kilometer weiter liegt die Stelle, an der die Techniker der Wasserversorgung Sipplingen dem Obersee gewaltige Mengen Wasser entnehmen. Aus einer Tiefe von 60 Meter wird der Rohstoff nach oben gepumpt. Vier Millionen Menschen im ganzen Land werden von Sipplingen aus mit Trinkwasser beliefert, wobei die größte Menge in den Raum Stuttgart exportiert wird, aber auch die Schwäbische Alb wird beliefert (während Kommunen wie Konstanz oder Meersburg ihr Wasser selbst aufbereiten). »Mit dem Labor in Sipplingen tauschen wir uns aus«, berichtet Schleheck.
Die Qualität des Wassers wird von einigen Seiten überprüft. Mehrfach genäht hält besser. Der Befund stimmt den Professor zufrieden. Während das Glas mit dem Oberflächenwasser noch trüb gegen die Sonne glänzt und fern an einen Smoothie erinnert, ist das Wasser aus der Tiefe ohne Umstände und sofort trinkbar. Schleheck schenkt eine Probe aus einer Tiefe von etwa 40 Metern ein und nippt daran. Das Glas wird dem Reporter weitergereicht; die völlig klare Flüssigkeit schmeckt bei etwa acht Grad köstlich.
Der gesunde See ist keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis von harter Arbeit wie dem Bau von Kläranlagen und immer auch abhängig von äußeren Faktoren. »Manches ist eingeschleppt, wie die Quaggamuschel«, berichtet Schleheck. Diese Tierart wurde von den Zuflüssen des Schwarzen Meers mitgebracht – vermutlich durch Muscheleier oder Larven im Kielwasser oder am Rumpf von Booten. »In einigen Jahren werden wir wahrscheinlich die vielfache Menge dieser Muscheln bei uns im See haben, wie Kollegen an unserem Institut und aus der Schweiz anhand ihrer Daten vorhersagen.« Die Quagga ist hungrig und expansiv, »sie frisst einen zunehmenden Anteil eines wichtigen Glieds der Nahrungskette weg, das Phytoplankton«. Während sich das Schalentier ausbreitet, geht dem Felchen buchstäblich noch mehr das Futter aus. Eine unmittelbare Lösung sei noch nicht in Sicht, sagt er. (GEA)