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»So kompliziert ist das?«: Klage zu Kosten von Stuttgart 21

3500 Seiten sind die Prozessakten dick, dahinter stehen mehrere Milliarden Euro an Mehrkosten: Vor dem Verwaltungsgericht geht es um die Finanzierung von Stuttgart 21. Zu Beginn geht es vor allem um die Frage, worüber überhaupt verhandelt werden soll.

Streit um Mehrkosten für Stuttgart 21
Zu den Tagen der offenen Baustelle Stuttgart 21 erhalten Besucher Einblicke in die Baustelle. Foto: Bernd Weißbrod
Zu den Tagen der offenen Baustelle Stuttgart 21 erhalten Besucher Einblicke in die Baustelle.
Foto: Bernd Weißbrod

Wer muss die milliardenschweren Mehrkosten von Stuttgart 21 bezahlen? Um diese Frage geht es seit Montag vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Dort wird über mehrere Klagen der Deutschen Bahn gegen die Projektpartner von Stuttgart 21 verhandelt (13 K 9542/16). Die Bahn will erreichen, dass sich das Land Baden-Württemberg, die Landeshauptstadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und der Flughafen Stuttgart finanziell an den Mehrkosten für die Neuordnung des Stuttgarter Bahnknotens beteiligen.

Am ersten Termin diskutierten die beiden Seiten zunächst Verfahrensfragen. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Kern betonte, dass das Gericht das Verfahren möglichst vereinfachen wolle. »Wir möchten dieses Verfahren so rasch wie möglich in der ersten Instanz abschließen«, sagte Kern. Er gehe davon aus, dass es nicht bei der Entscheidung der Stuttgarter Kammer bleiben werde, sondern dass die Beteiligten vermutlich Rechtsmittel einlegen würden.

Das Verfahren ist äußerst kompliziert und umfangreich. Eingereicht wurde die Klage bereits im Jahr 2016. Laut Gericht will die Bahn bis zu 100 verschiedene Klageanträge stellen. Am ersten Tag wurde daher vor allem darüber diskutiert, was die Bahn mit diesen Anträgen überhaupt genau erreichen will - und welche wirklich notwendig sind. Das war dem Vorsitzenden Richter nicht ganz klar, er versuchte, die Anträge zu durchdringen und fragte präzise nach. Nach einer längeren Debatte, wie ein bestimmtes Protokoll zu verstehen sei, kam er zu dem Ergebnis: »Ach du Schande! So kompliziert ist das?«

Die Deutsche Bahn, die offiziell Bauherrin von Stuttgart 21 ist, beziffert die Gesamtkosten für das Projekt derzeit auf 9,15 Milliarden Euro und hat zusätzlich einen Puffer von 640 Millionen Euro einkalkuliert. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist jedoch nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt. Das Land sicherte damals eine Beteiligung in Höhe von 931 Millionen Euro zu, die Stadt Stuttgart gab 292 Millionen, der Flughafen beteiligte sich mit 227 Millionen, und der Verband Region Stuttgart sicherte 100 Millionen Euro zu.

Wer die Mehrkosten von mehr als 4,5 Milliarden Euro trägt, ist derzeit unklar. Für den Umgang mit möglichen Kostensteigerungen wurde im Finanzierungsvertrag die sogenannte Sprechklausel verankert. Darin heißt es: »Im Falle weiterer Kostensteigerungen nehmen die EIU (Eisenbahninfrastrukturunternehmen) und das Land Gespräche auf.«

Was mit der Sprechklausel genau gemeint ist, ist zwischen den Projektpartnern sehr umstritten. Die Bahn geht von einer »gemeinsamen Finanzierungsverantwortung« aus und will erreichen, dass sich die anderen Projektpartner nach dem gleichen Verteilungsschlüssel wie im Finanzierungsvertrag auch an den Mehrkosten beteiligen. Die Projektpartner sehen das völlig anders und pochen darauf, dass Festbeträge vereinbart worden seien.

Eine Entscheidung in dem Verfahren dürfte nicht so schnell ergehen. Die Bahn hat nun zwei Wochen Zeit, um ihre Klageanträge zu präzisieren und einzureichen. Der nächste Verhandlungstermin findet voraussichtlich am 1. August statt. Dann soll es nicht mehr nur um Verfahrensfragen gehen, sondern auch um die Frage, ob die Bahn tatsächlich einen Anspruch auf eine weitere finanzielle Beteiligung der Projektpartner hat - und wenn ja, in welcher Höhe.

Mitteilungen des Verwaltungsgerichts zum Verfahren

© dpa-infocom, dpa:230508-99-608427/3