Mal im Ernst: Runzeln Sie nicht auch Jahr für Jahr die Stirn, wenn das neue Jugendwort gewählt wird? Haben Ihre Kinder schon mal von »Niveaulimbo«, »Smombie« oder »I bims«, von »fly sein« und »tinderjährig« gesprochen, den Gewinnern und Favoriten der Abstimmungen früherer Jahre? Dieses Mal dürfte das anders sein. Denn »Smash«, das Jugendwort 2022, hat nicht nur eine längere Geschichte. Es ist aus Sicht von Sprachwissenschaftlern auch typisch für das, was mit Wörtern aus der englischen Sprache passiert, wenn sie über soziale Medien wie Tiktok, Instagram und Twitter oder auf den Schulhöfen aufgegriffen, genutzt und verformt werden.
»Smash« stammt wie so viele andere Wörter der Jugendsprache aus dem Englischen. Und da fängt es schon an. Denn auf Englisch wird das Wort im Sinne von »zerschlagen«, »zerschmettern« oder auch »zerbrechen« genutzt. Erwachsene kennen den »Smash-Hit« aus der Musik, sie nippen am gleichnamigen Cocktail oder schwärmen beim Tennis von einem Schmetterball. Von Jugendlichen hingegen wird »smash« vor allem als Verb (»smashen«) benutzt und bedeutet so viel wie »mit jemandem etwas anfangen«, »jemanden abschleppen« oder auch »mit jemandem Sex haben«. Das Objekt der Begierde kann auch ein »Smash« sein, mit dem man ein kleines »Smash« (Stelldichein) hat.
»Smash« setzte sich bei einem Voting des Langenscheidt-Verlags mit 43 Prozent der Stimmen klar durch, wie das Unternehmen am Dienstag in Stuttgart mitteilte. Jugendliche hatten zuvor in mehreren Runden über ihr Lieblingswort abgestimmt. Auf dem zweiten Platz folgt »bodenlos« (mies, unglaublich schlecht) mit 33 Prozent, an dritter Stelle liegt »Macher«, also die Bezeichnung für jemanden, der Dinge ohne Zögern umsetzt (24 Prozent), der etwas anpackt.
Entwickelt hat sich der diesjährige Gewinner aus dem Datingspiel »Smash oder Pass«, das mal ans Flaschendrehen, mal an die Kuppel-App Tinder erinnert. Dabei werden potenzielle Partner entweder als »Smash« angenommen oder als »Pass« abgelehnt. Tinder-Nutzer würden also bei einem »Smash« nach rechts wischen, bei »Pass« nach links.
»Gerade bei diesen englischsprachigen Wörtern ist zu beobachten, dass sie eine spezifische Bedeutung annehmen«, erklärt Henning Lobin, der Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache. »Jugendsprache nimmt dabei eine Funktion nach innen an, sie wird Teil einer Identitätsbildung, einer Gruppenbildung, einer Kennzeichnung und grenzt als eine Art Geheimsprache durchaus auch nach außen ab.« Das Wort sei eine gute Wahl, weil seine Bedeutung in hohem Maße uneindeutig sei, sagt der Mannheimer Sprachwissenschaftler. Es spiegele die digitale Alltagswelt von Jugendlichen wider und entwickele sich weiter. »Das ist ein Wort, das entsteht, das lebt und das sich wandelt«, sagt Lobin der Deutschen Presse-Agentur.
Seit 2008 veröffentlicht Langenscheidt das Jugendwort des Jahres - damals siegte »Gammelfleischparty« (Ü-30-Party). Allerdings wurde die Auswahl in der Vergangenheit auch oft als Werbeaktion des Verlages kritisiert. Bei der Wahl können nach Angaben von Sandra Spier, Pressesprecherin des Verlags, theoretisch alle Altersgruppen abstimmen, gewertet werden seit 2020 aber nur die Stimmen der Jugendlichen.
Insgesamt lag die Zahl der abgegebenen Stimmen nach Angaben Spiers in diesem Jahr »im hohen sechsstelligen Bereich«. Die relevante Quote der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter zwischen 10 und 20 Jahren lag laut Verlag bei 77 Prozent. Im vergangenen Jahr stimmten rund 1,2 Millionen Menschen ab. Der damalige Sieger war »cringe« - das Fremdschämen. Diskriminierende und beleidigende Begriffe jedweder Art werden vom Verlag gelöscht.
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