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Sektrunden und Handy-Rätsel: Fragen nach U-Ausschuss

Fast acht Stunden wird die Landespolizeipräsidentin im U-Ausschuss um die sogenannte Polizei-Affäre befragt. Doch es bleiben auch am späten Abend Fragen - etwa zu privaten Handykontakten, Beförderungen im Innenministerium und freitäglichen Sektrunden.

Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz
Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz sitzt anässlich des Untersuchungsausschusses zur Polizei-Affäre im Landtag. Foto: Marijan Murat
Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz sitzt anässlich des Untersuchungsausschusses zur Polizei-Affäre im Landtag.
Foto: Marijan Murat

Ein nicht gesichertes Handy, Alkohol nach dem Mitarbeitergespräch und ein Abendessen auf kollegialer Ebene: Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz hat im Untersuchungsausschuss im Stuttgarter Landtag detailliert die Abläufe zur sogenannten Polizei-Affäre aus ihrer Sicht geschildert - und sieht keine Versäumnisse ihrerseits. Bei mehreren der Obmänner und Obfrauen blieben allerdings auch nach acht Stunden besonders die Fragen nach der Beförderungspraxis im Innenministerium und nach freitäglichen Sektrunden.

Die Landespolizeipräsidentin wehrte sich am Montag auch gegen Vorwürfe, dass sie den beschuldigten Inspekteur der Polizei habe schützen wollen, indem sie dessen privates Handy nicht zur Beweisaufnahme sichern ließ. Es habe rechtlich keinen Grund dafür gegeben, sagte Hinz in dem Ausschuss. Mit einer Sicherung des Handys hätten mögliche Korrespondenzen eingesehen und ausgewertet werden können. Zuvor hatten die »Stuttgarter Nachrichten« und die »Stuttgarter Zeitung« berichtet, Hinz habe möglicherweise dazu beigetragen, dass der Inspekteur der Polizei wichtige Beweismittel habe vernichten können, weil sein privates Handy nicht gesichert wurde.

Dass er das private Telefon auch dienstlich nutzte, scheint klar zu sein: Hinz selbst sagte, sie habe nach ihrer Wahrnehmung mit dem Inspekteur meist über dessen privates Handy kommuniziert. In dieser Deutlichkeit sagte Hinz dies allerdings erst nach einer nicht-öffentlichen Befragung zu dem Thema.

Der Ausschuss befasst sich mit sexueller Belästigung in Landesbehörden, Beförderungspraktiken bei der Polizei und mit der Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Innenminister Thomas Strobl (CDU). Ein inzwischen suspendierter Inspekteur der Polizei soll Ermittlungen zufolge im November 2021 eine Polizeibeamtin sexuell belästigt haben.

Auch Innenminister Strobl stand wegen der Sache unter Druck - er hatte nach eigenen Angaben ein Schreiben des Anwalts des Inspekteurs an einen Journalisten weitergereicht. Die Ermittlungen gegen Strobl wurden gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.

Der Vorfall der sexuellen Belästigung soll sich am Abend des 12. November 2021 ereignet haben - nach einem Mitarbeitergespräch des Inspekteurs mit der betroffenen Polizistin zur Vorbereitung auf ein Assessment-Center. Hinz selbst sei später, nach dem offiziellen Teil des Gesprächs, dazugekommen, dabei sei auch Alkohol getrunken worden. »Aber alles in Maßen«, sagte Hinz. Sie habe ein Glas Sekt getrunken, sei etwa 45 Minuten dabei gewesen. »Vor dem Hintergrund der wirklich weitreichenden Folgen für die Mitarbeiterin - das können Sie mir glauben - dass ich diesen Abend und das, was da passiert ist, sehr oft hinterfragt habe.« Hinz ging zu einem anderen Gespräch - der Inspekteur und die Mitarbeiterin blieben, dann soll es zu dem Vorfall gekommen sein.

In dem Ausschuss geht es auch darum, ob der beschuldigte Inspekteur zurecht auf seinen Posten kam. Er sei aufgrund seiner Erfahrungen und Fähigkeiten sehr gut geeignet gewesen, sagte Hinz nun. Und sie erzählt, dass beide sich seit etwa 2010 kannten, später habe es dann auch ein privates Abendessen mit ihrem Mann und der Ehefrau des Inspekteurs der Polizei gegeben. Man habe sehr gut und kollegial zusammengearbeitet, sei aber nicht befreundet gewesen. Als sie von den Vorwürfen erfuhr, sei sie »menschlich enttäuscht und erschüttert« gewesen.

Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand sagte, er habe es als sehr irritierend empfunden, dass es in der Behörde offensichtlich »fließende Übergänge und unklare Abgrenzungen zwischen dienstlichen und privaten Zusammenkünften« gebe. Auch hinter der Beförderungspraxis stünden weiter große Fragezeichen - auch, wie genau der beschuldigte Polizeiinspekteur ins Amt gekommen sei. CDU-Obfrau Christiane Staab sagte hingegen, Hinz habe eine »vorausschauende Personalplanung« aufgezeigt. Es sei auch bei der Aufarbeitung der sexuellen Belästigung »an keiner Stelle um Vertuschen oder Mauscheln gegangen«.

SPD-Obmann Sascha Binder kritisierte, dass Hinz sich gleich zweimal habe korrigieren oder präzisieren müssen. Und an dem fraglichen Abend habe sie mit dem Inspekteur der Polizei und der Mitarbeiterin Alkohol getrunken, obwohl sie gar nicht gewusst habe, ob das Personalgespräch wirklich beendet war - und sie hat auch nicht nachgefragt. FDP-Obfrau Julia Goll sagte mit Blick auf die Befragung und die »Zurechtrückungen« der Landespolizeipräsidentin: »Mich hat das alles auch ein bisschen vom Stuhl gehauen.«

Nach fast acht Stunden wurde die Beweisaufnahme zunächst unterbrochen. Doch es sind noch längst nicht alle Fragen gestellt - voraussichtlich am 27. März soll Hinz noch einmal im Ausschuss Rede und Antwort stehen.

© dpa-infocom, dpa:230226-99-748819/6