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Schulstart nach Corona ist Neuland für alle

Wegen der Coronakrise haben viele Schüler seit rund drei Monaten keine Schule mehr von innen gesehen. Das ändert sich jetzt, zumindest schrittweise. Von Normalität kann aber noch keine Rede sein. Schule im Schichtbetrieb ist Neuland für alle.

Schulkinder sitzen mit ihren Schulranzen nebeneinander
Schulkinder sitzen mit ihren Schulranzen nebeneinander. Foto: Bernd Wüstneck
Schulkinder sitzen mit ihren Schulranzen nebeneinander.
Foto: Bernd Wüstneck

STUTTGART. Seit Montag sind die Schulen in Baden-Württemberg für alle Schüler wieder geöffnet - allerdings nur im Schichtbetrieb und nicht bei vollem Stundenplan. Wegen des Coronavirus gehen die Schüler lediglich zeitweise in die Schulen. Den Rest der Zeit wird weiterhin per Fernunterricht gepaukt. Bei diesem »rollierenden System« sind also nicht alle Schüler gleichzeitig da, sondern die Jahrgangsstufen wechseln sich ab, um Abstandsgebote einhalten und das Infektionsrisiko senken zu können.

Weil es nicht genügend große Räume gibt, mussten manche Klassen für den Unterricht in Gruppen aufgeteilt werden. Das fällt manchen Schulen leichter, manchen schwerer: »Die Situation ist sehr inhomogen«, sagte am Montag der Landeselternbeiratsvorsitzende Carsten Rees. »Wir haben Schulen aus der Gründerzeit mit riesigen Klassenzimmern und hohen Decken und wir haben Schulen aus den 70ern, die wie Pappschachteln aussehen.«

Für die Schulleitungen sei die Organisation dieses Wiedereinstiegs in den Schulbetrieb schon im Vorfeld »Stress pur« gewesen - unter anderem auch wegen verspäteter oder unzureichender Informationen seitens des Kultusministeriums. »Erst im laufenden Betrieb werden wir dann sehen, mit welchen Problemen die Schulen zu kämpfen haben«, sagte Rees. Für eine abschließende Beurteilung sei es noch zu früh. Im SWR hatte auch der Bundeselternbeirat das Kultusministerium in Stuttgart kritisiert. Man habe immer das Gefühl, dass die Schreiben aus dem Ministerium sehr kurzfristig kämen, sagte der Bundesvorsitzende Stephan Wassmuth.

Das Kultusministerium betonte dagegen, die Schulen seien »bereits sehr frühzeitig über den heutigen Start der Ausbaustufe nach den Pfingstferien informiert« worden. Die bisherigen Rückmeldungen zeigten, »dass die Schulleiterinnen und Schulleiter gemeinsam mit den Lehrkräften und den Schulträgern diese Zeit genutzt haben und in den zurückliegenden Wochen viel geleistet haben, um eine reibungslosen Wiederaufnahme des Unterrichts zu ermöglichen«, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU).

Neben der Teilung der Klassen sollen die Schulen möglichst sicherstellen, dass sich die Schüler in den Pausen nicht durchmischen und die Hygienevorschriften einhalten. Die Fahrpläne der Schulbusse wurden angepasst. Zudem können manche Lehrer nicht im Klassenraum unterrichten, weil sie sich zur Risikogruppe zählen.

Der Philologenverband sprach sich für eine Maskenpflicht in der Schule, auf dem Schulhof sowie während des gesamten Schulwegs aus. Auch während des Unterrichts könne das Tragen von Masken sinnvoll sein, wenn etwa der Lehrer durch die Sitzreihen laufe, sagte der Landesvorsitzende Ralf Scholl. Insgesamt seien die Schüler glücklich, wieder zur Schule zu dürfen. »Bei allen überwiegt die Freude«, sagte auch Matthias Schneider, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Der Organisationsaufwand für die Schulen sei allerdings enorm.

»Positiv sind die paradiesischen Zustände, was die Klassengrößen angeht«, erklärte Michael Gomolzig, Sprecher des Landesverbandes Bildung und Erziehung (VBE). Deprimierend allerdings seien die hohen Anforderungen an die Lehrer, die nun Präsenzunterricht abhalten, gleichzeitig aber weiterhin Aufgaben für Fernunterricht bereitstellen müssten und auch freiwillig Notbetreuung anböten. »Es ist ein Teilstart unter erschwerten Bedingungen«, sagte Gomolzig. Für ein richtiges Fazit sei es aber noch zu früh.

Der Landesschülerbeirat hatte am Wochenende gefordert, nun verstärkt jüngeren Schülern die Chance auf Präsenzunterricht zu geben, nachdem der Fokus in den vergangenen Wochen stark auf den Abschlussklassen lag. Jetzt aber solle den jüngeren Schülern mehr Zeit in der Schule ermöglicht werden, sagte Sprecher Roman Jauch.

Der Präsenzunterricht falle für viele Schüler sehr bescheiden aus, kritisierte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Timm Kern. Die Landesverbände der GEW und des VBE verwiesen dazu aber auch auf die Zahl der Lehrkräfte, von denen nur 80 Prozent zur Verfügung stünden. Die anderen 20 Prozent zählten zur Risikogruppe der über 60-Jährigen oder der Pädagogen mit Vorerkrankungen.

Lehrer aus Risikogruppen können sich bislang über ein Formblatt von der Präsenzpflicht befreien lassen und von zu Hause aus arbeiten. Wie das Kultusministerium am Montag mitteilte, ist das vom 29. Juni an nur noch auf der Grundlage eines ärztlichen Attests möglich. Schwangere Lehrerinnen seien von der Attestpflicht ausgenommen.

Mitte März hatten die Schulen in Baden-Württemberg wegen Corona komplett geschlossen. Die Abschlussklassen sind bereits ab dem 4. Mai zurück in die Schulen gekehrt, die Viertklässler seit Mitte Mai. Die Grundschulen sollen bis Ende Juni vollständig öffnen - dann ohne Abstandsgebote. Die grün-schwarze Landesregierung stützt sich dabei auf die Zwischenergebnisse einer vom Land bei den Uni-Kliniken in Auftrag gegebenen Studie. Demnach spielen Kinder bis zu zehn Jahren als Überträger des Virus nur eine untergeordnete Rolle. (dpa)

Informationen des Kultusministeriums