Ministerpräsident Winfried Kretschmann begrüßt die Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Unterbringung und Versorgung ukrainischer Flüchtlinge. »Es ist erst mal ein gutes Signal, dass sich der Bund zu seiner finanziellen Mitverantwortung für die Kosten bekannt hat«, sagte der Grünen-Politiker am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Allerdings gebe es noch viele Unsicherheiten. »Niemand kann heute sagen, wie viele Geflüchtete aus der Ukraine noch kommen und wie lange sie bleiben.« Die am Donnerstag gefundene Vereinbarung von Bund und Ländern könne nur vorläufig sein und werde im Herbst überprüft.
Kretschmann nannte es einen wichtigen Baustein, dass der Bund sich dauerhaft an den Kosten für Versorgung und Integration von allen weiteren Flüchtlingen rückwirkend ab 1.1.22 beteiligen werde. »Wir brauchen langfristig einen engen Schulterschluss in der Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen.« Deshalb habe das Land den Kommunen früh zugesagt, die Sozialleistungen von privat untergebrachten Kriegsflüchtlingen zu tragen.
Bund und Länder hatten sich am späten Donnerstagabend nach zähen Verhandlungen auf eine Verteilung der Kosten für die Versorgung der Kriegsflüchtlinge geeinigt. Geflüchtete aus der Ukraine sollen demnach wie anerkannte Asylbewerber finanziell unterstützt werden. Das bedeutet, dass sie die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger erhalten sollen. Der Bund will die Kommunen bei den Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge im laufenden Jahr mit 500 Millionen Euro unterstützen, die Länder sollen für bereits entstandene Kosten vom Bund ebenfalls 500 Millionen Euro bekommen. An Kosten für die Integration in Kita oder Schule will sich der Bund mit einem Betrag von einer Milliarde Euro beteiligen.
Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sieht den Kompromiss offen kritisch. »Die Einigung von Bund und Ländern auf die Verteilung der Kosten für ukrainische Geflüchtete ist ein Kompromiss, der uns nicht ganz leicht fällt«, sagte er der dpa. Das Land unterstütze die Kommunen bereits deutlich über das hinaus, was es machen müsste. »Angesichts der großen Herausforderungen bei Unterkunft, schulischer Betreuung und Integration hätten wir uns ein stärkeres Engagement seitens des Bundes gewünscht«, sagte Bayaz. Je nach Entwicklung der Flüchtlingszahlen werde man im Herbst neue Gespräche führen müssen.
Auch die Kommunen sind skeptisch. Der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, Steffen Jäger, sprach zwar von einem »wichtigen Signal«. Aber er sagte auch: »Da wir noch nicht übersehen, was dies auch an finanzieller Belastung bedeutet, kann das Ergebnis tatsächlich nur vorläufig sein.« Der verabredete Übergang zur Grundsicherung für die Flüchtlinge sei aus Sicht der baden-württembergischen Kommunen nicht zwangsläufig eine Verbesserung, »zumal damit ein Systemwechsel mitten in der Krise verbunden ist, der auch zusätzliche Bürokratie auslöst«. Die Kommunen dürften durch diesen Systemwechsel nicht schlechter gestellt werden, forderte Jäger. Nun müsse die Umsetzung fürs Land besprochen werden.
Die Umstellung mitten in der Krise sei herausfordernd, die Kreise würden sie aber meistern, sagte der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, der Tübinger Landrat Joachim Walter. Aber auch er warnte davor, die Kommunen schlechter zu stellen als bisher. »Das Land muss daher weiterhin alle fluchtbedingten Kosten tragen, die es etwa im Bereich der Unterbringung sowie der Gesundheits- und Pflegeversorgung bislang übernommen hat.«
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