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Südwesten fordert schärferes Waffenrecht für Extremisten

Besuche rechtsextremer Konzerte, rassistische Hetze im Netz, laufende Ermittlungsverfahren - das alles müssen bislang keine Hindernisse sein auf dem Weg zu einem Waffenschein. Geht gar nicht, findet Innenminister Strobl - und will das Waffenrecht deutlich verschärfen.

Waffenrechtsreform wird zum Zankapfel
Ein Mann hält in einem Waffengeschäft eine Schreckschusspistole in der Hand. Foto: Uli Deck
Ein Mann hält in einem Waffengeschäft eine Schreckschusspistole in der Hand.
Foto: Uli Deck

Baden-Württemberg pocht auf ein noch viel strengeres Waffenrecht für Extremisten. Wer etwa an extremistischen Konzerten oder Versammlungen teilnimmt oder sich in sozialen Medien entsprechend äußert, soll nicht mehr an Waffen kommen, findet Innenminister Thomas Strobl.

Bislang sei es den für die Erlaubnis zuständigen Waffenbehörden aber nur schwer möglich, damit gerichtsfest eine sogenannte waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen, teilte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur mit. Das gelte auch für die Mitgliedschaft in Vereinigungen, die vom Verfassungsschutz nicht beobachtet, sondern lediglich als Verdachtsfall eingestuft werden.

Baden-Württemberg will sich bei der bis Freitag dauernden Innenministerkonferenz in Berlin für ein deutliches Nachschärfen beim Waffenrecht einsetzen - demnach sollen Waffenbehörden bei ihrer Bewertung auch Sachverhalte zugrunde legen können, aus denen sich »Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung« ergeben. Solche Sachverhalte spielen etwa bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Beschäftigten an Flughäfen eine Rolle. Auch laufende oder eingestellte Ermittlungs- oder Strafverfahren fließen dort in die Bewertung ein. Das geltende Waffenrecht berücksichtige dagegen nur rechtskräftige Verurteilungen.

»Waffen dürfen nicht im Besitz von unzuverlässigen Personen sein«, sagte Strobl der dpa. »Daher muss durch das Waffenrecht sichergestellt sein, dass nur Personen in den Besitz von Waffen gelangen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.«

Die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht den Vorstoß kritisch. Strobl wolle Antragsteller so behandeln, als wären sie verurteilt, obwohl Gerichte anders entschieden hätten, sagte Gewerkschaftschef Ralf Kusterer. Gerichtsurteile würden belegen, dass mit dem bestehenden Waffenrecht wirksam Erlaubnisse verwehrt werden können.

Strobl dringt seit Jahren darauf, dass Pistolen und Gewehre nicht in die Hände von Extremisten und »Reichsbürgern« gelangen. Bereits im Jahr 2017 wurden die Waffenbehörden angewiesen, an »Reichsbürger« und Extremisten keine waffenrechtlichen Erlaubnisse zu erteilen und bereits erteilte Erlaubnisse - soweit möglich - zurückzunehmen. Seit 2017 seien »Reichsbürgern« und Extremisten 512 erlaubnispflichtige Waffen abgenommen worden, teilte das Innenministerium mit.

Aktuell unterscheidet das Waffengesetz die sogenannte Regelunzuverlässigkeit und die absolute Unzuverlässigkeit. Wer als »absolut unzuverlässig« gilt, darf unter keinen Umständen eine Erlaubnis bekommen - das gilt etwa für Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren wegen eines Verbrechens verurteilt wurden.

Wer dagegen in einem verbotenen Verein Mitglied ist oder war oder einer verfassungswidrigen Vereinigung angehört, der gilt bislang nur als »regelunzuverlässig«. Auch Menschen, die den »Reichsbürgern« zugeordnet werden, werden so eingestuft und können somit aktuell eine Waffe erhalten.

Solche Fälle sollen künftig aus Sicht Baden-Württembergs aber eine absolute waffenrechtliche Unzuverlässigkeit begründen - was Widerspruchsmöglichkeiten deutlich erschweren würde. Strobl pocht auf einen entsprechenden Gesetzentwurf der Ampel und der zuständigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im Mai hervorging, durften zum 1. Februar mehr als drei Dutzend sogenannte Reichsbürger, Selbstverwalter und Extremisten im Südwesten erlaubnispflichtige Waffen besitzen.

Im Besitz der »Reichsbürger« und Extremisten waren demnach 27 Waffenbesitzkarten, 25 sogenannte Kleine Waffenscheine und ein Europäischer Feuerwaffenpass. Begründet wurde der Waffenbesitz 17 Mal mit Sportschießen, 4 Mal mit der Jagd, 4 Mal mit sogenanntem Altbesitz, 2 Mal mit Erbe und einmal mit der Verwendung einer Seenotsignalpistole für die Schifffahrt.

Im März war bei einer Razzia gegen die Szene eine Durchsuchung in Reutlingen eskaliert - ein mutmaßlicher »Reichsbürger« schoss auf einen SEK-Beamten und verletzte diesen am Arm. Innenminister Strobl sprach später von einem »perversen« Waffenarsenal, das bei dem Mann gefunden worden sei. Der Mann sitzt nun wegen mehrfachen versuchten Mordes in Untersuchungshaft.

© dpa-infocom, dpa:230614-99-46437/4