Manuel Hagel ist der neue Vorsitzende der CDU im Südwesten. Der Fraktionschef der Christdemokraten wurde am Samstag auf dem Landesparteitag in Reutlingen mit 91,5 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. 311 Delegierte stimmten für Hagel, 29 gegen ihn, drei enthielten sich. Die CDU rechnet Enthaltungen traditionell nicht mit ein, wertet sie wie ungültige Stimmen. Gegenkandidaten gab es keine. Hagel folgt auf Thomas Strobl, der zwölf Jahre den Landesvorsitz innehatte. Der sagte, dass ein Generationenwechsel selten so gut über die Bühne gegangen sei.
Dem 35 Jahre alten Hagel werden Ambitionen auf die Spitzenkandidatur 2026 nachgesagt. Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) will bei der Landtagswahl nicht mehr antreten. Die Grünen müssen noch einen Spitzenkandidaten benennen - als aussichtsreichster Kandidat gilt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Hagel sagte in seiner Rede in Reutlingen, dass die CDU wieder den Führungsanspruch im Land formulieren müsse: »Das politische Erbe von Winfried Kretschmann wird bei uns in guten Händen sein.« Die Partei werde wieder gebraucht. Und: »Wir sind unbesiegbar, wenn wir geschlossen sind.«
Hagel warb für eine »Agenda der Zuversicht«. Er drückte seine Solidarität mit Israel aus und mit den Jüdinnen und Juden im Land. Auf dem Parteitag forderte er zudem eine 180-Grad-Wende in der Migrationspolitik. »Die Migrationspolitik, die wir seit Jahren machen, die ist am Ende«, sagte er. Ehrenamtliche in den Kommunen könnten nicht mehr. Es gehe nun darum, den Zuzug schnell und effektiv zu begrenzen. Einwanderung in den »Arbeitslosenmarkt« müsse verhindert werden. Der Landesverband beschloss in Reutlingen einen Antrag, der die Abschaffung des individuellen Asylrechts und die komplette Auslagerung von Asylverfahren fordert.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Nina Warken aus Tauberbischofsheim ist die neue Generalsekretärin an Hagels Seite. Sie erhielt 91,1 Prozent der Stimmen. Sechs Delegierte enthielten sich. Die Juristin und Rechtsanwältin Warken (44) ist parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Hagel und Warken kennen sich aus gemeinsamen Zeiten in der Jungen Union. Hagel hatte sich für Warken und gegen die bisherige Generalsekretärin Isabell Huber entschieden.
Als stellvertretende Landesvorsitzende wurden der Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei (87,7 Prozent), die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle (76,6 Prozent) und der Europaabgeordnete Daniel Caspary (68 Prozent) bestätigt. Neu als Vizeparteichefin gewählt wurde Bauministerin Nicole Razavi (73,7 Prozent). Damit gibt es nun vier Stellvertreter des Landesvorsitzenden, nicht mehr nur drei. Razavi rückt aus Paritätsgründen auf, damit der CDU-Bezirk Nordwürttemberg auch nach dem Weggang Strobls repräsentiert ist.
Strobl betonte in seiner letzten Rede als Landesvorsitzender die Einigkeit der Partei. Er wisse nicht, wann die CDU in Baden-Württemberg mal so geschlossen und geeint dagestanden habe, sagte er. »Das haben wir oft gesagt, aber diesmal stimmt's wirklich.« Er sei gerne zwölf Jahre Vorsitzender des Landesverbands gewesen - »meistens mit Freude«. Das Feld sei bestellt. Der 63-Jährige verwies auf die guten Umfragewerte: Die CDU liegt derzeit weit vor den Grünen. Hagel habe zudem bewiesen, dass er Ideen habe für die CDU und das Land. Er sei als Fraktionschef eine entscheidende Stütze für die Koalition und die Landesregierung. »Ich bin überzeugt, du wirst auch als Landesvorsitzender einen erstklassigen Job machen.«
Die CDU hat knapp sechs Jahrzehnte lang in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten gestellt. 2011 übernahm Kretschmann die Villa Reitzenstein. Nach mehreren Jahren in der Opposition gelang es Strobl sowohl 2016 als auch 2021, die CDU als Juniorpartner in die Regierung zu führen - und einen Bedeutungsverlust zu vermeiden. In der Partei aber war Strobls Position schon länger geschwächt: Beim letzten Parteitag im November 2021 in Mannheim erhielt er nur noch 66,5 Prozent der Stimmen.
Der Landesverband sprach sich dann auch für eine komplette Kehrtwende in der Migrationspolitik aus - und für die Auslagerung von Asylverfahren. Die Delegierten stimmten für einen entsprechenden Antrag des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion im Bundestag, Frei. Asylverfahren sollen dem Antrag zufolge in andere Staaten ausgegliedert werden und diese Staaten auch zum Schutzraum für Flüchtlinge gemacht werden.
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg zeigte sich entsetzt und warf der CDU vor, den moralischen Kompass verloren zu haben. Der Vorschlag zeuge von Geschichtsverdrossenheit, sagte die Co-Geschäftsführerin des Vereins, Anja Bartel. Sie betonte die Bedeutung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Grundrechte-Charta der EU und des Grundgesetzes.
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