AfD-Landesparteichef Emil Sänze greift erneut nach dem Fraktionsvorsitz. Der 72-Jährige sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart, dass er bei der Neuwahl des Postens Mitte Januar kandidieren und damit die Nachfolge von Bernd Gögel antreten wolle. Gögel hatte wegen eines Strafbefehls aufgrund von Schwarzarbeitsvorwürfen vor wenigen Tagen seinen Rücktritt erklärt. Sänze sagte, er halte es für gut, wenn die Ämter des Partei- und Fraktionsvorsitzes vereinigt würden. »Das gibt eine erhöhte Schlagkraft, viel Synergieeffekte und weniger Reibungsverluste.«
Unter den AfD-Abgeordneten tobte jahrelang ein Machtkampf zwischen gemäßigten Kräften und Anhängern des rechten Rands. Während Gögel sich stets ein relativ gemäßigtes und bürgerlich-konservativ Image gab, wird Sänze dem völkisch-nationalen Lager zugerechnet. Er hatte bereits das Amt des Fraktionsvizes inne und ist derzeit Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion.
Der 72-Jährige kündigte auch an, die Fraktion im Falle seiner Wahl auf einen lauteren und schärferen Kurs führen zu wollen. »Wir werden lauter - aber mit Vorschlägen, nicht mit Ungezogenheiten«, sagte er. Wenn man Dinge durchsetzen wolle, müsse man sie auch dezidiert vortragen. Und: »Wir sind die Kleinsten, wir müssen ein bisschen lauter sein als andere, wir wollen gehört werden.«
Dazu muss man wissen: Die AfD-Fraktion galt die vergangenen Jahre als von Flügelkämpfen beherrschte Chaostruppe, die gar für Polizeieinsätze im Landtag sorgte. Zuletzt war mehr Ruhe nach innen und außen eingekehrt - auch weil die lautesten Störer nicht mehr im Parlament sitzen. Gögel hatte zu Beginn der neuen Legislatur auch eine andere Art des Umgangs im Parlament versprochen. Sänze war dieser Kurs zu lasch: Er hatte die Fraktion im Sommer 2021 als zu angepasst und stromlinienförmig bezeichnet - die AfD müsse klare Kante zeigen, provozieren und wieder lauter werden.
Von einem Rechtsruck aber will Sänze nichts wissen. »Dieses Gerede von rechts und links geht mir auf die Nerven«, sagte er der dpa. Die AfD-Fraktion habe konservative Ansätze, aber auch liberale und »sogenannte linke« Lösungsvorschläge, etwa die Rentenpolitik und die Anerkennung von Lebensleistung. Besonders wichtig ist ihm die Migrationspolitik: »Dieses ständige Gerede, man könne nicht ausweisen, ist an Lächerlichkeit nicht zu unterbieten.«
Der Landesverband der AfD hat bereits einen gehörigen Rechtsruck vollzogen. Seit dem Frühsommer führt Sänze den Landesverband gemeinsam mit dem Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier, der die Jugendorganisation »Junge Alternative« mitgegründet hat. »Mit Emil Sänze bekäme die Landtagsfraktion einen Vorsitzenden, der in der internen Zusammenarbeit verlässlich ist und nach außen frische Impulse setzt«, sagte Frohnmaier. »Ich würde mich freuen, wenn seine Fraktionskollegen ihn zum Vorsitzenden wählen würden.«
In welchem Ausmaß der Richtungskampf in der Fraktion nun wieder an Fahrt gewinnt, ist unklar. Auch, welche Chancen Sänze hat. Es ist nicht das erste Mal, dass er nach dem Fraktionsvorsitz greift: Im April unterlag er Gögel bei den Wahlen zum Fraktionsvorstand, dem Vernehmen nach war es ein knappes Rennen. Jüngere Abgeordnete fordern seit längerem einen Generationenwechsel an der Fraktionsspitze. Medienberichten zufolge will auch Udo Stein (39) Mitte Januar bei der Fraktionsklausur kandidieren.
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