HEIDELBERG. Der Heidelberger Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) und seine populärste Herausforderin Theresia Bauer (Grüne) schütteln am Sonntagabend im Großen Sitzungssaal in Rathaus so viele Hände, als hätten beide die Wahl gewonnen. Dabei gibt es eine Neuwahl in drei Wochen: Weil niemand der neun Kandidatinnen und Kandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl die absolute Mehrheit erzielte, werden rund 107.000 Menschen in Heidelberg am 27. November noch einmal zur Abstimmung gebeten.
Beim ersten Anlauf bekam Würzner mit rund 45,9 Prozent der Stimmen den größten Anteil. Auf dem zweiten Platz landete die ehemalige baden-württembergische Wissenschaftsministerin Bauer mit 28,6 Prozent, gefolgt von SPD-Stadtrat Sören Michelsburg aus Reutlingen mit 13,5 Prozent.
Für Bauer hängt viel an der Wahl: Die 57-Jährige hatte Ende September ihr Ministeramt extra niedergelegt, um Oberbürgermeisterin zu werden. Es gebe keinen Rückfahrschein, betonte sie damals. Ihr Landtagsmandat wolle sie im Fall einer Niederlage bei der OB-Wahl aber bis zum Ende der Legislaturperiode behalten, planmäßig also bis ins Jahr 2026.
Für Würzner und Bauer stand am Sonntag schon fest, bei der Neuwahl anzutreten. Der von CDU und FDP unterstützte Amtsinhaber wertete sein Abschneiden als klaren Wählerauftrag. »Ich freue mich riesig.« Bauer sei mit mehr als 15 Prozentpunkten weit abgeschlagen. »Mit dieser klaren Botschaft gehe ich jetzt in den nächsten Wahlgang«, sagte der 61-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Er fürchte nicht, dass Bauer sämtliche Stimmen der SPD-Wähler bekommen könnte, sollte Michelsburg seine Kandidatur zurückziehen. »Das läuft nicht so, wie man sich das vielleicht vorstellt, dass man das einfach rüberschieben kann.« Er kenne viele aus der SPD und von den Grünen, die ihn wählten.
Bauer wiederum setzt darauf, Kräfte bündeln zu können. Die Rückmeldung der Wählerinnen und Wähler sei eine »klare Aussage, dass der Amtsinhaber keine Mehrheit hat weiterzumachen«. Das sei eine gute Ausgangslage »für kraftvolle drei weitere Wochen Wahlkampf«.
Erinnert man sich an die OB-Wahl in Stuttgart Ende 2020, war dem Mitte-Links-Lager genau so ein Kräftebündeln nicht gelungen. Nach einem enttäuschenden Abschneiden im ersten Durchgang und gescheiterten Gesprächen mit den anderen Bewerbern aus dem Spektrum zog die Grünen-Kandidatin Veronika Kienzle ihre Kandidatur zurück.
Der Heidelberger SPD-Kandidat Michelsburg kündigte am Sonntagabend an, in den kommenden Tagen mit seiner Partei das weitere Vorgehen besprechen und am Mittwoch eine Entscheidung verkünden zu wollen. »Der Wechselwille war nicht wirklich da, glaube ich«, sagte er. Vielleicht habe er auch nicht so gut abgeschnitten, weil er vielen mit 34 Jahren als zu jung gelte. »Aber am Ende bin ich jetzt auch das Zünglein an der Waage. Das heißt wir werden sehen, was draus wird.«
Bei der Neuwahl stehen alle Bewerberinnen und Bewerber der ersten Runde auf dem Stimmzettel, die ihre Kandidatur nicht zurückziehen. Es können sich auch noch neue Kandidaten und Kandidatinnen bewerben.
Positiv bewerteten Bauer und Würzner, dass die Wahlbeteiligung mit etwa 51,3 Prozent deutlich höher lag als beim letzten Mal. 2014 hatten gerade einmal 21,8 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben. Damals war Würzner gegen nur einen ebenfalls parteilosen Gegenkandidaten angetreten und wurde im ersten Wahlgang mit 85,2 Prozent wiedergewählt. Er ist seit dem Jahr 2006 Chef im Rathaus.
In den kommenden Wochen wolle er noch stärker als ohnehin schon mit den Menschen direkt sprechen, kündigte Würzner an. Bauer sagte, sie hoffe vor allem auf Stimmen von jungen Leuten.
In Heidelberg leben rund 160 000 Menschen. Die Akademikerquote in der Unistadt ist mit über 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hoch. Etwa 39 Prozent der Einwohner sind nach Angaben der Kommune jünger als 30 Jahre, knapp 16 Prozent älter als 65. Beliebt ist die Stadt mit der Schlossruine über dem Neckar auch bei Millionen von Touristen, die jedes Jahr zu Besuch kommen.
Bürgermeisterwahlen gibt es in Baden-Württemberg in der Regel unabhängig von der Wahl des Gemeinderats. Nur in kreisfreien Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern - Stadtkreise genannt - und sogenannten Großen Kreisstädten ab 20 000 Einwohnern werden die Rathauschefs als Oberbürgermeister/Oberbürgermeisterin bezeichnet. (dpa)