In der Debatte über die milliardenschwere Sanierung der Stuttgarter Staatsoper mehren sich angesichts der drohenden Energie- und Wirtschaftskrise die Rufe nach einer billigeren Variante. Der Landesrechnungshof mahnte am Montag eine Überprüfung der Pläne an. Der Sanierungsbedarf sei zwar unbestritten. Doch in Krisenzeiten müsse man die Frage stellen, ob es andere sinnvolle Planungen geben könne, die zu einer kleineren und kostengünstigeren Lösung führen könnten, sagte Günther Benz, Präsident des Rechnungshofs, in Stuttgart. Er hält es auch für denkbar, die Sanierung zeitlich zu strecken. »Das zu überprüfen würde ich für keine falsche Entscheidung halten.« Zuletzt hatte die CDU-Landtagsfraktion die Kosten für den geplanten Umbau infrage gestellt. Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) hält dagegen an den Plänen fest.
Dagegen ist auch die Opposition im Landtag für eine Überprüfung. Die FDP-Fraktion hält die Kosten von einer Milliarde Euro, die sich das Land mit der Stadt Stuttgart teilen will, wegen der Krise für nicht mehr vermittelbar. »Man kann sehr viele Dinge im ländlichen Raum nicht machen, etwa Umgehungsstraßen«, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke aus Pforzheim. Zudem sei schon jetzt klar, dass die Kosten wegen Inflation und Preissteigerungen für den Bau weiter steigen würden. Die SPD-Fraktion zeigte sich offen für eine Veränderung der Sanierungspläne. »Wenn sich jetzt ein Fenster für günstigere Projektvarianten eröffnet, unterstützen wir auch diese«, sagte Martin Rivoir für die SPD. Er hält auch einen Neubau für denkbar.
Ob der bisherige Kostenrahmen von über einer Milliarde Euro zu halten ist, wird auch in der grün-schwarzen Landesregierung stark infrage gestellt. Zur Mahnung des Rechnungshofs erklärt das Finanzministerium nun, die Kosten verteilten sich auf zehn Jahre und fielen jetzt noch nicht an. Dennoch dringt vor allem die CDU-Fraktion darauf, dass die Planung nochmal überprüft wird. Fraktionschef Manuel Hagel hatte erklärt, die Entscheidung könne nur mit verlässlichen Daten, Fakten und Alternativen fallen. »Wir brauchen daher zuvorderst eine aktuelle Kostenschätzung und die vertiefte Prüfung kostengünstigerer Varianten. Das ist die Basis für eine jede Entscheidung.«
An diesem Dienstag kommt Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) in die CDU-Fraktion, um über die Opernpläne zu diskutieren. Die CDU will sich dann auch mit der Gründung einer Projektgesellschaft für die Opernsanierung beschäftigen. Der grüne Koalitionspartner hatte schon am vergangenen Dienstag den Weg freigemacht und einer entsprechenden Kabinettsvorlage zugestimmt.
Stuttgarts OB Nopper hatte schon am Freitag mitgeteilt: »Wir müssen dringend zur Tat schreiten - auch in schwieriger Zeit.« Er schlage vor, die Entwurfs- und Genehmigungsplanung voranzutreiben, auf deren Grundlage die Kosten konkretisiert und erörtert werden können. »Wir sollten bei diesem Jahrhundertprojekt, dessen Planung und Umsetzung sich über viele Jahre hinziehen wird, nicht rasten und nicht ruhen. Unser Opernhaus hat zwar nach wie vor ein großartiges Flair, aber es ächzt und stöhnt unter seinem fortgeschrittenen Alter.« Die Oper sei ein »baulicher Sanierungsfall«. Nopper zeigte sich zuversichtlich, »dass die Landesregierung am 26. Juli den Weg für weitere Planungen freimachen wird«. Dann soll die Entscheidung über die Projektgesellschaft fallen.
Das über 100 Jahre alte Opernhaus muss generalsaniert werden, es platzt zudem aus allen Nähten. Unter anderem soll eine moderne sogenannte Kreuzbühne schnellere und einfachere Bühnenbildwechsel möglich machen, außerdem wird mehr Platz zum Beispiel für Proberäume benötigt, das Dach aus dem Jahr 1911 ist marode und die Gastronomie nicht mehr zeitgemäß. Die Intendanz hat zudem eine größere Nutzfläche angemeldet.
Der SPD-Kulturpolitiker Rivior sagte, es gebe gangbare und günstigere Alternativen zur aktuellen Planung. »Diese beinhalten einen Neubau der Oper mit direktem Anschluss an die bestehenden Strukturen, eine Weiternutzung des Littmann-Baus bis zur Fertigstellung des Neubaus und eine anschließende bestandserhaltende Sanierung.« Dadurch entfalle zum Beispiel auch eine teure Ersatzspielstätte.
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