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Posten-Streit zwischen Richtern und Ministerin eskaliert

Der Streit zwischen dem Justizministerium und den Richtern über die Leitung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart nimmt an Schärfe deutlich zu. Die Juristen seien fassungslos und empört über das Vorgehen von Justizministerin Marion Gentges, kritisierte der Deutsche Richterbund Baden-Württemberg am Montag. Die CDU-Politikerin kündige den jahrzehntelangen Konsens über die Aufgaben und Befugnisse des Präsidialrats auf. Zuvor hatte das Ministerium einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen eine Entscheidung des Präsidialrats des Gerichts gestellt.

Beide Seiten sind sich nicht darüber einig, wer die Nachfolge von Cornelia Horz antritt. Die bisherige OLG-Präsidentin ist seit Mai im Ruhestand. Der Vorgang ist in der jüngeren Justizgeschichte einmalig.

»Die Richterschaft ist entsetzt über diesen Angriff auf die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz«, hieß es am Montag weiter. Setze sich die Justizministerin durch, werde das Vertrauen der Richter »in eine sachgerechte, alleine an den Kriterien der Eignung und Befähigung orientierte Besetzung der Beförderungsämter« erheblich beschädigt. Es könne sogar das Ansehen der Justiz in der internationalen Wahrnehmung »ernsthaften Schaden nehmen«.

Justizministerin Marion Gentges (CDU) hatte für den vakanten OLG-Leitungsposten Beate Linkenheil favorisiert – und dem Präsidialrat der Richter vorgeschlagen. Er darf überprüfen, ob Fehler vorliegen. Dort wurde die Abteilungsleiterin im Justizministerium allerdings abgelehnt. Der Präsidialrat sprach sich für Andreas Singer aus, den Präsidenten des Stuttgarter Landgerichts. Ein vor Pfingsten geführtes Einigungsgespräch blieb erfolglos.

Das Gesetz sieht in diesem Fall vor, dass dann der Richterwahlausschuss angerufen werden soll, dem sowohl Vertreter der Richterschaft als auch Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien angehören. Dass sich das Ministerium nun allerdings dazu entschlossen hat, die Stellungnahme des Präsidialrats gerichtlich überprüfen zu lassen, ist ein ungewöhnliches Vorgehen. Nach Angaben eines Sprechers will das Ministerium durch das Verfahren auch Klarheit für künftige Fälle schaffen und die Reichweite der Befugnisse des Präsidialrats klären.

© dpa-infocom, dpa:220627-99-821062/2