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Obstbauer vom Bodensee muss Erntehelfern Lohn nachzahlen

Keine Arbeit, kein Geld: Wenn sie wegen schlechten Wetters nicht ernten konnten, hat ein Landwirt vom Bodensee seinen aus Georgien angereisten Saisonarbeitern keinen Lohn gezahlt. Ein Gericht hält das für rechtswidrig. Gewerkschaften hoffen auf eine Signalwirkung.

Erntehelfer klagen gegen Obsthof
Der beklagte Obstbauer (r) und sein Anwalt betreten den Gerichtssaal des Arbeitsgerichts Ravensburg. Foto: Felix Kästle
Der beklagte Obstbauer (r) und sein Anwalt betreten den Gerichtssaal des Arbeitsgerichts Ravensburg.
Foto: Felix Kästle

Ein Obstbauer vom Bodensee muss nach einem Gerichtsurteil 18 Erntehelfern Lohn nachzahlen. Der Landwirt habe den Arbeitern aus Georgien nach Auffassung des Gerichts von Mitte Mai bis Mitte Juni 2021 nicht den Mindestlohn gezahlt, obwohl diese rechtzeitig an der vereinbarten Sammelstelle waren, teilte das Arbeitsgericht in Ravensburg am Freitag mit. Dass die Saisonarbeiter zum Beispiel wegen schlechten Wetters teils nicht eingesetzt wurden, spiele dabei keine Rolle. Schließlich hätten sie wie vereinbart ihre Arbeit angeboten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Erntehelfer hatten gegen den Obstbauer geklagt, weil er ihnen keine Arbeit zugeteilt und dann einen Teil des Lohns einbehalten habe. Der Landwirt hatte seinerseits den Arbeitern pauschal vorgeworfen, nicht rechtzeitig an den vereinbarten Sammelstellen gewesen zu sein. Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts lehnte er ab.

Nach Auffassung des Gerichts konnte der Obstbauer die Vorwürfe der Erntehelfer aber nicht entkräften. Den Klagen der Saisonarbeiter gab das Arbeitsgericht daher weitgehend statt. Der Landwirt könne aber binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Berufung beim Landesarbeitsgericht in Stuttgart einlegen.

Gerichtsverfahren bei solchen Streitigkeiten seien gerade im Bereich der Landwirtschaft »atypisch«, sagte ein Gerichtssprecher. Dabei komme es immer wieder vor, dass Landwirte versuchten, Vorschriften im Arbeitsrecht bei Saisonarbeitern zu umgehen, betonte der Vorsitzende des Bezirksverbands Südwürttemberg der IG BAU, Andreas Harnack. Viele Erntehelfer aus dem Ausland scheuten aber den Aufwand eines Prozesses in Deutschland und die möglichen Kosten im Falle einer Niederlage.

Die Erntehelfer, die nun vor dem Gericht klagten, waren Teil einer Gruppe von 24 Arbeitern aus Georgien, die in Folge eines neuen Abkommens nach Deutschland gekommen war. Kurz nach ihrer Ankunft hatten sie sich über unhaltbare Zustände bei ihrer Unterkunft auf dem Hof in der Bodenseeregion beschwert.

Nach einer Kontrolle bestätigte das Landratsamt des Bodenseekreises, dass dort unter anderem die Toiletten teils kaputt waren. Zudem seien einige Küchenmöbel so verschlissen gewesen, dass deren Oberflächen nicht mehr hygienisch gereinigt werden konnten. Der Inhaber sagte damals auf Nachfrage, die Probleme seien »sofort behoben« worden.

Letztlich wurden die Erntehelfer auf einen Hof in Niedersachsen gebracht, wo sie weiter arbeiten konnten. »Es gibt viele Betriebe, die das sauber und transparent machen. Aber es gibt eben auch schwarze Schafe«, sagte der Ravensburger Betriebsseelsorger Werner Langenbacher. Gerade vor dem Hintergrund der für Oktober geplanten Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro sei es wichtig, dass dieser auch Erntehelfern in vollem Umfang gezahlt werde - auch wenn diese nicht über die gesamte Zeit ihrer Bereitschaft eingesetzt werden.

Mitteilung Arbeitsgericht Ravensburg

© dpa-infocom, dpa:220610-99-616042/3