FREIBURG/REUTLINGEN. Der Freiburger Beschluss für ein vegetarisches Einheitsmenü an Kitas und Grundschulen hat eine Kontroverse über richtige Kinderernährung ausgelöst. Der Gemeinderat hatte am Dienstagabend mit grün-linker Mehrheit beschlossen, in städtischen Kitas und Grundschulen vom kommenden Schuljahr an nur noch vegetarisches Essen auszugeben. Zudem werden die Preise für Schulessen vom Schuljahr 2023/24 an schrittweise erhöht.
Das Stuttgarter Agrarministerium ging deutlich auf Distanz und teilte mit, zu einer ausgewogenen Ernährung gehöre auch Fleisch. Eine ausschließlich vegetarische Ernährung als Vorgabe unterstütze das vonPeter Hauk (CDU) geführte Ministerium deshalb nicht. »Kinder sollen in ihrer Entwicklung die Möglichkeit haben, einen eigenen Geschmack zu entwickeln und sich auszuprobieren. Dazu gehört auch der Verzehr von Fleisch«. Verminderte Mengen seien dabei durchaus angebracht.
In Reutlingen und Tübingen gibt's weiterhin Fleisch
Der Freiburger Vorstoß ist im Südwesten bisher einizgartig: Das Stuttgarter Landwirtschafts- und Ernährungsministerium teilte auf Anfrage mit, es sei ihm keine andere Stadt oder Kommune bekannt, die eine komplett fleischlose Kost in Kitas und Schulen anbiete. Hier werden jährlich mehr als 500 000 Mittagessen in den Mensen ausgegeben. Auch die Pressesprecher der Städte Tübingen und Reutlingen teilten auf GEA-Anfrage mit, dass es bisher kein Pläne gebe, die Speisepläne Mensen in Schulen oder Kitas auf rein vegetarische Menüs umzustellen. Im Falle der Reutlinger Kitas bestehen die Menüs bereits zu 60 Prozent aus vegetarischen Gerichten, in Tübingen komme noch bis zu dreimal pro Woche Fleisch auf den Tisch, so die Pressesprecher.
Die Ernährungsexpertin Gertrud Winkler begrüßte den Freiburger Kurs. »Im Hinblick auf Nachhaltigkeit wurde eine zukunftsweisende Entscheidung gefällt. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht nichts dagegen, in Kitas und Grundschulen für eine gesunde Ernährung nur vegetarische Gerichte anzubieten«, so die Professorin von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen. »Man kann in dieser Altersklasse – einen abwechslungsreichen Speiseplan vorausgesetzt – den Nährstoffbedarf mit vegetarischer Ernährung decken.« Zu dem Einwand des Ministeriums sagte sie weiter: »Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der Kinder zu Hause Fleisch und Wurstwaren bekommt.«
Kritik vom Landeselternbeirat
Kritik kommt vom Landeselternbeirat Baden-Württemberg. Dabei geht es vor allem um die Erhöhung des Elternbeitrags für das Mittagessen – von 3,90 Euro auf 4,80 Euro bis September übernächsten Jahres. Eltern müssten bereits für die Beförderung der Kinder zur Schule zahlen, so der Vorsitzende Michael Mittelstaedt. Neue Kosten dürfe es nicht geben. »Mit welcher Rechtfertigung soll denn vegetarisches Essen mehr kosten als fleischhaltiges Essen? Bio-Siegel? Lachhaft«, sagte Mittelstaedt. Freiburgs Bildungsbürgermeisterin Christine Buchheit (Grüne) verteidigte die Preisumstellung: »Wir wollen die Kostensteigerungen im Rahmen halten«, sagte sie. Gutes Fleisch sei immer noch ein Preistreiber.
Der Vizevorsitzende des Freiburger Gesamtelternbeirats, Sebastian Kölsch, kritisierte den Plan, der Elternbeitrag für ein Schul-Mittagessen von derzeit 3,90 Euro bis September übernächsten Jahres auf 4,80 Euro steigen. »Freiburg liegt mit seinen Preisen bei Großstädten im Südwesten nach unseren Recherchen schon jetzt an der Spitze«, sagte Kölsch.
Kitas und Grundschulen sollten frei entscheiden können, was bei ihnen auf den Teller kommt, forderte die oppositionelle SPD im Stuttgarter Landtag. Um einkommensschwache Familien und Alleinerziehende zu entlasten, müsse das Mittagessen an Schulen und Kitas kostenfrei sein, forderte der Bildungsexperte der Fraktion, Daniel Born. (dpa/GEA)