Diesen heftigen Rückschlag des SC Freiburg musste Christian Streich erst einmal verdauen. »Die Demut ist auf jeden Fall zurückgekehrt«, sagte der 57-Jährige nach dem desolaten und chancenlosen 0:6 beim VfL Wolfsburg. Streich selbst hatte immer wieder auf eine realistische Erwartungshaltung gepocht, wenn er auf die mögliche Qualifikation für die Champions League angesprochen wurde und hohe Ziele weit weg geschoben. Nach einer solchen Klatsche ist die Rolle des Bayern-Jägers nun erst einmal ohnehin kein Thema mehr. Vielmehr geht es darum, ob sich der Sport-Club gleich wieder berappeln kann.
Wie er seine Mannschaft jetzt vor der nächsten Herausforderung am Mittwoch gegen den neuen Tabellenzweiten Eintracht Frankfurt (20.30 Uhr/Sky) anpackt, formulierte der 57-Jährige in gewohnter Streich-Manier im badischen Dialekt: »Ganz normal: Video mache, anschaue, mit ihne spreche und kicke.«
Der Coach wirkt selten wirklich zufrieden, an diesem Samstagnachmittag war das Freiburger Trainer-Unikat aber bedient wie selten zuvor. Schmallippig, knurrig, fast trotzig analysierte er den schwachen Auftritt seiner Mannschaft. »Am besten sage ich nichts, dann sage ich nichts Falsches.« Auf die Frage, was er seiner Mannschaft nach dem Spiel sagte, äußerte er sich nicht. Kapitän Christian Günter berichtete bloß: »Er hat uns schon gesagt, was er denkt, was schieflief und hat uns ein Stück weit aufgemuntert für den Mittwoch.«
Die Aufmunterung scheint bitter nötig, denn es war ein nur schwer zu erklärender Einbruch, mit dem zum Auftakt in die Restsaison nicht zu rechnen war. In den Hinrundenspielen vor der WM-Pause hatte der Club mehrfach bewiesen, warum er wochenlang den zweiten Platz behaupten konnte. Streich bezeichnete den bisherigen Saisonverlauf als »Wahnsinn«. Der SC hat bereits 30 Punkte nach 16 Spieltagen geholt, so viele wie noch nie. Auch Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus hatte sich beeindruckt von der bisherigen Saison gezeigt und den SC als ernsthaften Konkurrenten der Bayern ins Spiel gebracht.
Günter war nun die Ratlosigkeit angesichts des 0:6 anzumerken. »Man kann verlieren, und hat auch mal einen schlechten Tag. Das darf uns aber nicht passieren, dass man hier sechs Hütten kriegt«, klagte der Nationalspieler. Günter versicherte, die Mannschaft stehe zusammen. »Das müssen wir wegstecken. Es kann nicht immer nur bergauf gehen«, meinte der Linksverteidiger.
Dass sie einen Rückschlag abhaken können, hatten die Breisgauer in dieser Saison nach dem 0:5 beim Rekordmeister in München bewiesen. Was passiert nun nach diesem Auftritt in Wolfsburg? Bei den Niedersachsen wirkte der Sport-Club erschreckend behäbig, fehleranfällig und kompliziert. Patrick Wimmer hatte die Gäste früh mit seinem Tor in der zweiten Minute geschockt, danach lief nicht mehr viel zusammen. Jonas Wind (28. /37.), Yannick Gerhardt (56.), Ridle Baku (80.) und der eingewechselte Ex-Freiburger Luca Waldschmidt (90.+4/Foulelfmeter) machten das Freiburger Debakel perfekt. Es vermengte sich eine Glanzleistung der Gastgeber und ein blutleerer Auftritt der Gäste.
Frankfurt und der 1. FC Union Berlin zogen am Sport-Club vorbei, die Badener fielen auf den vierten Platz zurück. Und jetzt kommt der euphorisierte Europa-League-Sieger und Champions-League-Achtelfinalist Eintracht Frankfurt.
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