Seine Redefreudigkeit hat Christian Streich inzwischen wiedergefunden. Das überraschend deutliche 0:6 beim VfL Wolfsburg hat beim am Samstag noch sehr schmallippigen Trainer des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg aber Spuren hinterlassen. »Das habe ich nicht erwartet und das war auch nicht unser Leistungsvermögen«, sagte der 57-Jährige einen Tag vor dem Heimspiel am Mittwoch gegen Eintracht Frankfurt (20.30 Uhr/Sky). »Wir haben kollektiv eine aufs Maul gekriegt, und zwar richtig - einschließlich mir.«
Trotz des Rückschlags konnte Streich problemlos einschlafen, wie er beteuerte. »Wir müssen jetzt nicht alles grundsätzlich infrage stellen«, sagte er vor dem letzten Hinrunden-Spieltag. Erster Jäger des Spitzenreiters FC Bayern München sind die Freiburger aber erst einmal nicht mehr. Auch die Eintracht ist vorbeigezogen. »Es wurde geredet von der Champions League«, sagte Streich, der schon direkt nach dem Wolfsburg-Spiel mehr Demut gefordert hatte. Er habe sich schließlich bewusst nicht an solchen Diskussionen beteiligen wollen.
Ist der Schwung der Freiburger aufgrund der langen Unterbrechung wegen der Weltmeisterschaft in Katar und der daran anknüpfenden Winterpause dahin? »Du suchst dann immer 100 Gründe«, sagte Streich. »Das Trainingslager fand ich absolut in Ordnung. Ich habe keinen Schlendrian gesehen. Ich fand auch nicht, dass wir keine Spannung hatten.«
Sehr wohl hat er aber wahrgenommen, dass die Freiburger in den Medien für ihre Auftritte durchgehend gelobt wurden. »Wir sind gut, wenn jeder alles bis zur totalen Erschöpfung tut«, sagte Streich. »Und wenn wir das nicht schaffen, dann sind wir nicht einmal Durchschnitt. Aber das kann ich ja nicht zwei Monate jedem Spieler sagen. Dann wäre ich ja der totale Untergangsszenario-Prediger.«
Und von der gefährlichen Zone sind die Freiburger auch weit entfernt. Sie gehören immer noch zur Liga-Spitzengruppe und stehen in beiden Pokalwettbewerben im Achtelfinale. Streich ist es aber wichtig, dass seine Spieler schnellstmöglich den Schock verdauen. Immerhin winkt mit einem Dreier gegen Frankfurt nicht nur die beste Hinserie seit der Saison 1994/95. Gleichzeitig könnte der Sport-Club auch zum ersten Mal seit 2016 wieder fünf Heimspiele nacheinander für sich entscheiden.
Entscheidende Faktoren für den angestrebten Erfolg sind in personeller Hinsicht Vincenzo Grifo und Philipp Lienhart. Offensivmann Grifo fehlte in Wolfsburg aufgrund einer Erkrankung. Inzwischen trainiert er schon wieder individuell. Womöglich schafft es Freiburgs Topscorer gegen die Hessen noch in den Kader. Der österreichische Nationalspieler Lienhart wird hinten sicher wieder auflaufen. Roland Sallai muss mit muskulären Problemen noch passen.
Noch lässt Streich nicht durchblicken, mit welcher Formation er antreten möchte. Das sei aber auch nicht wichtig, machte er deutlich. »Das System gewinnt keine Spiele. Das Verhalten gewinnt Spiele.« Und da muss nach dem Auftritt beim VfL wieder mehr kommen.
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