Ein bisschen Laufsteg war dann doch, als die zehn Kandidatinnen um den Titel »Miss Germany« 2023 am Samstagabend eine nach der anderen über die Bühne gingen und kurz posierten. Dabei soll es nicht mehr wie früher um Äußerlichkeiten und Modelambitionen gehen, sondern um »Missionen« der Frauen. Am Ende setzte sich Kira Geiss aus Wilhelmsdorf bei Ravensburg mit ihrem Engagement in der Jugendarbeit durch. Die Theologiestudentin bekam den erstmals verliehenen »Female Leader Award« überreicht. Der Titel ist außerdem mit einer Siegprämie von 25.000 Euro verbunden.
»Demokratie sollte den Anspruch haben, die Jugend zu fördern«, sagte die 20-Jährige bei ihrer Vorstellung. Dabei gehe es nicht um fertige Konzepte, sondern darum, die Zukunft mit den jungen Menschen zu gestalten. Ihnen solle man Verantwortung geben, forderte Geiss. Sie schilderte, wie sie als Jugendliche in einen Freundeskreis geraten sei, in dem Alkohol und Drogen an der Tagesordnung gewesen seien. Ein Jugendkreis habe ihr herausgeholfen, sie habe einen Mentor gefunden.
Daher wolle sie eine deutschlandweite Jugendplattform gründen, sagte Geiss. In Magdeburg war sie nach eigenen Angaben an der Gründung einer Jugendgemeinde beteiligt, die sich dafür einsetzt, dass junge Menschen auf sozialer, kreativer und musikalischer Ebene gefördert werden. Zudem gehe sie in Unternehmen, um zu berichten, was die »Gen Z« braucht. So wird die Generation junger Menschen bezeichnet, die zwischen Ende der 1990er Jahre und etwa 2010 geboren wurden.
War »Miss Germany« einst ein Wettbewerb mit Bikini-Runden auf dem Laufsteg, haben die Veranstalter vor einigen Jahren einen Imagewandel eingeläutet: Seit 2019 sollen die Persönlichkeit und die »Missionen« der Teilnehmerinnen im Vordergrund stehen - und nicht deren Aussehen. Die Siegerin bekommt inzwischen auch keine Krone mehr. Nur eine Schärpe gibt es nach wie vor. Samt dem neu ins Leben gerufenen Award.
Die Miss Germany Studios als Organisatoren betonen, dass die »Miss Germany« keine Modelverträge und Fotoshootings bekommt oder zu Autohaus-Eröffnungen muss. Stattdessen wollen sie die Gewinnerin professionell managen und ein Netzwerk zu Unternehmen, Investoren, Politik sowie Medien bieten. Sie versprechen Auftritte in »seriösen« Talkshows und als Sprecherin bei Konferenzen.
Kriterien bei der Auswahl seien Professionalität, Inspirations- und Entwicklungsfähigkeit, sagte Jurorin und Pressesprecherin von »Miss Germany«, Jil Andert, während der Show. 15.000 Frauen hatten sich für diese Staffel beworben. Ins Finale schafften es zehn von ihnen.
Darunter waren Transfrau Saskia von Bargen aus Friedrichsfehn im niedersächsischen Ammerland als Botschafterin für die Trans-Community, Schornsteinfegerin Vanessa Didam aus Köln, die um mehr Frauen im Handwerk warb, und Gamerin Sandra Friedrichs aus Hamburg, die über Vorzüge, Nachteile und insbesondere den Aspekt mentale Gesundheit bei Videospielen aufklären will. Das Spektrum der »Missionen« war insgesamt sehr breit und reichte von gewaltfreier Geburtshilfe über finanzielle Unabhängigkeit von Frauen bis hin zum Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung.
Jurorin Ruth Moschner sah in den Finalistinnen aufgrund deren Qualifikationen schon das nächste Bundeskabinett. »Ich finde, es könnte noch viel mehr solche Veranstaltungen geben«, sagte Moschner. »Wir Frauen sind in der Überzahl, aber wir haben so wenig Bühne.«
In der Jury saßen zudem TV-Host Bruce Darnell, Model Monica Meier-Ivancan und Entertainer Nicolas Puschmann. Mit ihren Stimmen wurde Geiss zur Siegerin gewählt. Frauke Ludowig und Tochter Nele moderierten erstmals gemeinsam eine Liveshow. Diese ging zum 21. Mal im Europa-Park im südbadischen Rust über die Bühne. Auf der Internetplattform Twitch konnte das Publikum sie live verfolgen.
Im vergangenen Jahr hatte Sozialunternehmerin und Schauspielerin Domitila Barros aus Berlin die »Miss«-Wahl gewonnen. Aufgewachsen war sie in Brasilien in einer Favela und hat in einem Straßenkinderprojekt ihrer Eltern mitgearbeitet. Sie setzt sich für Nachhaltigkeit, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit ein.
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