STUTTGART. Auf den Fildern soll nach dem Willen der Stuttgart-21-Macher eine Verkehrsdrehscheibe entstehen. An den Flughafen und an die Messe fahren bereits S- und Stadtbahnen. Mit der Autobahn 8 und der Bundesstraße 27 sind Airport und Ausstellungswelt auch über die Straße gut erschlossen. Fernbusse machen am Busbahnhof Halt, der etwas verklausuliert als Stuttgart Airport Busterminal, kurz SAB, daherkommt. Der Bau eines Fern- und Regionalbahnhofs im Zuge von Stuttgart 21 soll die verkehrsgünstige Lage weiter verbessern.
Neue Gemengelage
Längst wird an den neuen Strecken und an dem Flughafenbahnhof gebaut. Den Durchschlag dieses vorerst letzten Tunnels von Stuttgart 21, der unter anderem die Messehallen unterquert, beging die Bahn im September mit einem großen Fest. Ende 2026 könnten die ersten Züge in dem mehr als 20 Meter unter dem Messevorplatz gelegenen Bahnhof halten – allerdings sieht sich die Bahn einmal mehr mit einer Klage gegen ihre Pläne konfrontiert. Neu an der Gemengelage ist aber, dass nicht die einschlägigen Verbände, Initiativen oder Bündnisse gegen das Vorhaben Front machen. Stattdessen verhandelt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) Mitte Mai die Klagen von zwei Unternehmen, die mehrheitlich im Besitz von Land und Landeshauptstadt sind – und damit von zwei Stuttgart-21-Projektpartnern. Die Klagen richten sich gegen die Bundesrepublik, weil das Eisenbahn-Bundesamt die Pläne genehmigt hatte.
Zum einen klagt die Flughafengesellschaft Stuttgart (FSG). Worum es dem Airportbetreiber konkret geht, mag man nicht sagen. »Wir bitten um Verständnis, dass wir zu laufenden Verfahren keine Angaben machen können«, sagt Johannes Schumm, Sprecher am Manfred-Rommel-Airport. Laut Ankündigung des Gerichts hält die Betreibergesellschaft, die dem Land (65 Prozent) und der Stadt Stuttgart (35 Prozent) gehört, den geänderten Plan für rechtswidrig, der neben dem Bau der Bahnstrecke auch jenen der Südumgehung von Plieningen regelt. Der habe »enteignende Vorwirkung im Hinblick auf Flächen des Zentralen Eingangs zum Empfangsgebäude«, heißt es in der Terminankündigung des VGH.
Zudem moniert der Flughafen, dass der geänderte Plan »in Bezug auf die Ausweisung von Langzeit- und P+R-Parkplätzen in rechtswidriger Weise von dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss« abweiche. Dieser Beschluss ist bei öffentlichen Vorhaben mit der Baugenehmigung vergleichbar.
Das zweite Verfahren am VGH, das am selben Tag wie jenes des Flughafens verhandelt wird, betreibt eine Gesellschaft, die einst für den Bau der neuen Landesmesse auf den Fildern gegründet worden war. Auch wenn die Messe bereits 2007 vom Killesberg an den Flughafen umgezogen ist, existiert diese »Projektgesellschaft Neue Messe«, kurz ProNM, bis heute. Auch sie wird von der öffentlichen Hand getragen und gehört dem S-21-Projektpartnertrio Land (45 Prozent) Landeshauptstadt (45 Prozent) und Verband Region Stuttgart (10 Prozent). Die Messegesellschaft verweist auf Nachfrage zum Hintergrund der Klage auf den Flughafen, der seinerseits abermals aufs laufende Verfahren verweist.
Wird die Messe beeinträchtigt?
Bei Gericht heißt es, die Projektgesellschaft sehe sich durch die Baugenehmigung »unmittelbar in ihrem Grundeigentum betroffen und beanstandet, der Planfeststellungsbeschluss beeinträchtige in rechtswidriger Weise auch die bestehende Landesmesse und deren Betrieb«. Schon beim Bau der Ausstellungsflächen hatte man Vorsorgemaßnahmen ergriffen für den Fall, dass das damals noch keineswegs in trockenen Tüchern befindliche Bahnprojekt realisiert werden sollte.
Offensichtlich hat sich diese Vorsicht ausgezahlt. »Durch die geringen Setzungen infolge der Tunnelbauarbeiten ergaben sich bislang keine Schäden an den Bauwerken der Messe«, heißt es in einem Bericht, in dem Stuttgart die Aktivitäten der Unternehmen zusammenfasst, an denen die Landeshauptstadt beteiligt ist.
Der Stuttgart-21-Abschnitt auf den Fildern rund um Flughafen und Messe beschäftigt nicht zum ersten Mal die Gerichte. Ihren juristischen Kampf gegen die Trasse hatten der Naturschutzbund (Nabu) und die Schutzgemeinschaft Filder (SGF) bis vors Bundesverwaltungsgericht getrieben. Erst als das höchste deutsche Verwaltungsgericht 2020 eine Entscheidung fällte, begann die Bahn großflächig mit den Arbeiten. (GEA)