Logo
Aktuell Land

Neue Details im Polizei-Prozess

Hat der ranghöchste Polizist des Landes eine junge Kommissarin sexuell genötigt? Diese Frage versucht das Stuttgarter Landgericht zu klären. Eine Sprachnachricht und mehrere Zeugen geben neue Einblicke in das Gefühlsleben der Kommissarin kurz nach der mutmaßlichen Tat.

Justiz
Ein Justizbeamter steht in einem Gerichtssaal. Foto: Friso Gentsch
Ein Justizbeamter steht in einem Gerichtssaal.
Foto: Friso Gentsch

Im Prozess um sexuelle Nötigung gegen den ranghöchsten Polizisten des Landes ist am Freitag vor dem Stuttgarter Landgericht eine Sprachnachricht abgespielt worden, in der das mutmaßliche Opfer Sorge vor beruflichen Nachteilen äußert. Die Nachricht hatte die damals 32 Jahre alte Kommissarin ihrer Schwester wenige Tage nach der mutmaßlichen Tat geschickt.

Darin berichtet diese davon, dass sie mit dem Inspekteur der Polizei unterwegs gewesen war. Sie sei von den Aussagen des Inspekteurs zu seinen sexuellen Vorlieben abgeschreckt gewesen, berichtete die Polizistin ihrer Schwester. Sie habe die Gesprächssituation als unangenehm empfunden und verlassen wollen. »Ich habe mir aber gedacht: Das ist der Inspekteur, auf den bist du angewiesen.«

Sie habe das Gefühl, der Inspekteur wolle mehr. »Ich will das definitiv nicht«, sagte sie in der Nachricht an ihre Schwester. Sie wolle darüber auch mit dem Inspekteur sprechen. »Ich hoffe, dass er da einen Haken dran machen kann und mir nicht eins reindrücken will - auch dienstlich. Das ist der höchste Polizeibeamte des Landes. Wenn ich es da verkacke, dann war's das.«

Auch einem Kollegen gegenüber, der die Kommissarin nach der mutmaßlichen Tat psychologisch betreut hatte, äußerte sich die Geschädigte ähnlich. Der Polizist berichtete vor Gericht, er habe mit ihr einige Tage nach der mutmaßlichen Tat ausführlich über den fraglichen Abend gesprochen. »Sie hat mir berichtet, dass sie sich den ganzen Abend gefragt hat: Wie komme ich aus der Situation wieder raus?«, sagte der Beamte. Die Kommissarin sei unsicher gewesen, ob sie den Vorfall ihren Vorgesetzten melden solle. »Sie befürchtete nur Nachteile, wusste nicht ob ihr geglaubt wird«, sagt er. Die 32-Jährige befand sich damals im Auswahlverfahren für den höheren Dienst.

Am Freitag sagte zudem die Schwester der Kommissarin aus. Sie berichtete von einem Gespräch gut eine Woche nach der Tat, in dem ihre Schwester Details über den Tat-Abend erzählt hatte. Das Geschehen habe ihre Schwester sehr mitgenommen. Unter Tränen habe diese gesagt: »Du kannst dir nicht vorstellen, was er mit mir gemacht hat.« Der ganze Fall belaste ihre Schwester noch heute. »Sie hat sich sehr zurückgezogen, ist sehr sensibel und nah am Wasser gebaut«, sagte sie.

Die Tat habe die Kommissarin auch beruflich stark beeinflusst, berichtete ihr ehemaliger Vorgesetzter dem Gericht. »Bis zum Vorfall im November hat sie gute Leistungen gezeigt, danach fiel es ab«, sagte der Beamte. Zuvor habe es im Auswahlverfahren für den höheren Dienst sehr gut für sie ausgesehen. »Es lief sehr gut, sie hat sich gut integriert. Sie wäre beim Auswahlverfahren sehr weit gekommen«, sagte der ehemalige Vorgesetzte. Die Befürchtungen der Kommissarin, dass ihre Offenbarungen Nachteile auf ihre Karriere haben könnten, habe er gut nachvollziehen können. »Der Inspekteur hat einen großen Einfluss, er ist Teil des Auswahlgremiums für den höheren Dienst.«

Der Inspekteur der Polizei soll die zur Tatzeit 32 Jahre alte Polizistin in einer Nacht im November 2021 vor einer Kneipe in Stuttgart sexuell genötigt haben. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob der ranghöchste Polizist des Landes seine Machtstellung als Vorgesetzter missbrauchte, um die Kommissarin zu sexuellen Gefälligkeiten zu drängen.

Der Fall hat in der Polizei und Politik für viel Aufregung gesorgt - und ist auch Thema eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der seit Monaten läuft.

Landgericht Stuttgart

© dpa-infocom, dpa:230511-99-653178/4