BURLADINGEN. Das preisgekrönte Theater »Lindenhof« im Zollernalbkreis übt rund drei Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie den Spagat: Nach schwierigen Jahren und Umsatzrückgängen von einigen Hunderttausend Euro kämpft das bundesweit bekannte Regionaltheater, das als »Wunder von der Alb« vor einigen Jahren durch die Feuilletons der großen Zeitungen und Magazine ging, immer noch um Zuschauer und darum, die Zahlen auf das Niveau vor Corona zu hieven.
Das Theater führte vor Corona jährlich rund 350 Veranstaltungen durch - davon 230 in Burladingen und 120 an Gastspielorten in ganz Baden-Württemberg, aber auch überregional in München, Hamburg, Berlin oder Recklinghausen. Damit haben sich die Theatermacher den in Deutschland einzigartigen Förderstatus »Regionaltheater« erspielt. Mit seinen Aufführungen erreichte das Theater jährlich 45.000 Zuschauer, davon 20.000 in Burladingen. Doch die Zeiten sind vorbei.
Auslastung bei maximal 50 Prozent
"Wir bräuchten für die Zukunft immer noch eine Unterstützung und Luft zum Atmen. Und zwar so, dass wir unser Programm nicht reduzieren und uns rar machen müssen", sagt Stiftungsvorstand Christian Burmeister-van Dülmen in Burladingen. Die Auslastung liege derzeit bei maximal 50 Prozent. "Wir brauchen kontinuierlichen Spielbetrieb, Menschen die zu uns kommen, denen es bei uns gefällt und die im Nachgang des Theaterbesuchs in ihrem Umfeld davon erzählen. Dann gehen unsere Zuschauerzahlen wieder rauf. Es wäre gut, wenn man sozusagen im Laufe von 2023 noch ein Notfall-Programme hätte. Das würde uns viel helfen"", sagt auch Intendant Stefan Hallmayer.
Dabei waren im Haus kurz vor der Pandemie alle bereit durchzustarten. Das Theater wurde für mehrere Millionen Euro in den Jahren 2018 und 2019 umfangreich saniert, Pläne für die Zukunft standen fest. Unter anderem wurde das Haus mit Theatersaal im ehemaligen »Gasthaus Linde« durch ein gläsernes Eingangsfoyer mit der dahinter liegenden Theaterscheune verbunden. Die neuen Sanitäranlagen und der Zugang zu allen Spielstätten sind jetzt barrierefrei.
Eine Million Euro dafür kam vom Ministerium für ländlichen Raum. »Das ist sehr ungewöhnlich und gab es davor auch nie«, sagt Burmeister-van Dülmen. Die dicke Finanzspritze sei für alle anderen quasi die Initialzündung gewesen, auch Geld beizusteuern. »Die Finanzierung ist kein Selbstläufer, wir sind ja nicht das Staatstheater Stuttgart. Wir müssen dranbleiben und neu verhandeln, immer wieder auf Ebene der Städte, auf den Ebenen der Landkreise und den Partnergemeinden«.
Unterstützung aus den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb
Das Theater »Lindenhof« ist seiner Rechtsform nach seit dem 1. Januar 2011 eine Stiftung und wird vom Land Baden-Württemberg, den Landkreisen Zollernalb, Reutlingen, Tübingen und von der Sitzgemeinde Burladingen unterstützt. Ebenso wird das Theater von über 20 Partnerstädten gefördert. Darüber hinaus hat es einen Förderkreis von rund 500 Mitgliedern. »Unser Theater steht schon immer finanziell auf unterschiedlichsten Säulen. Das ist komplex und schwierig, aber diversifizierte Kulturförderung ist bei uns alternativlos«, betonte Hallmayer.
Für seine Theatergastspiele im ländlichen Raum erhielt das Theater »Lindenhof« jüngst eine Zusage vom Wissenschaftsministerium über 62.000 Euro für einen elektrisch angetriebenen Kleintransporter und die zusätzliche Installation einer E-Auto-Ladesäule für das Theater. »Das hilft uns, unseren Fuhrpark klein zu halten und ermöglicht uns den Zugriff auf ein Fahrzeug, das dem jeweiligen Bedarf an Sitzplätzen entspricht«, sagt Burmeister-van Dülmen. Zudem begann das Theater in der Spielzeit 22/23 die Kooperation »Teil-Auto« mit der Teil-Auto Neckar-Alb eG. Damit soll das Publikum ermutigt werden, mit einem solchen »Teil-Auto« ins Theater zu kommen. Alle Mitglieder bekommen in der laufenden Spielzeit auf die Fahrt zum Theater mit einem Teil-Auto eine Gutschrift von fünf Euro.
»Nachhaltigkeit und das Thema Klimawandel nehmen wir sehr ernst«, sagte Hallmayer, Elektro- und Teilauto seien da erst ein Anfang. Auf die gegenwärtigen Krisen dürften Theater nicht nur künstlerisch reagieren, sondern auch strukturell, organisatorisch und raumkonzeptionell. »Bei den Sonnenverhältnissen, die wir auf der Alb haben, muss so schnell wie möglich eine Photovoltaikanlage auf unser Dach. Ein Angebot haben wir schon vorliegen. 90 Kilowatt-Peak sind möglich«. Jetzt suchen die Melchinger Geldgeber. Sie haben eine Vision: Theater Lindenhof 2030 - gefördert durch Sonne und Wind.
Das Theater Lindenhof stehe wie kaum eine andere Kultureinrichtung in Baden-Württemberg für eine ganz spezielle Qualität von Volkstheater im allerbesten Sinne, sagt Kunststaatssekretär Arne Braun. »Intendant Stefan Hallmayer und sein Team bieten den Menschen auf der Schwäbischen Alb ein anspruchsvolles und zeitgemäßes Kulturprogramm - mit großem Selbstverständnis und klarer Haltung zu den Themen unserer Zeit.« Das Land werde sich weiter dafür einsetzen, ein verlässlicher Partner des Theaters zu bleiben und damit seine besondere Verantwortung für die Entwicklung von Kultur im ländlichen Raum wahrnehmen. (dpa)