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Mord an Schülerin Ayleen: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage

Die Tötung der Schülerin Ayleen, mutmaßlich durch einen vorbestraften Sexualstraftäter, verursachte Entsetzen. Nach Abschluss der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Wann es zum Prozess kommt, ist noch unklar.

Teufelsee im hessischen Wetteraukreis
Blick über den Teufelsee im hessischen Wetteraukreis. Foto: Frank Rumpenhorst
Blick über den Teufelsee im hessischen Wetteraukreis.
Foto: Frank Rumpenhorst

Die Staatsanwaltschaft Gießen hat im Fall der getöteten 14-jährigen Ayleen Anklage wegen Mordes gegen einen 30 Jahre alten Mann erhoben. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Tat sexuell motiviert war, sagte ein Sprecher der Anklagebehörde am Donnerstag. Die aus Baden-Württemberg stammende Schülerin war im Juli vergangenen Jahres vermisst worden, Tage später wurde ihre Leiche im Teufelsee bei Echzell gefunden.

Der Fall hatte bundesweit Aufsehen erregt - vor allem, weil der mutmaßliche Täter einschlägig vorbestraft war und als rückfallgefährdeter Sexualstraftäter bis Anfang des Jahres unter sogenannter Führungsaufsicht gestanden hatte.

Der Verdächtige aus dem hessischen Waldsolms hatte Anfang September nach mehrstündiger Vernehmung gestanden, die Schülerin aus Gottenheim (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) umgebracht zu haben. Er habe im Beisein seiner Verteidiger zugegeben, den Tod der Schülerin in der Nacht auf den 22. Juli »durch körperliche Gewalteinwirkung herbeigeführt und den Leichnam anschließend im Teufelsee bei Echzell versenkt zu haben«, hieß es damals. Er habe die Ermittler auch zum Tatort im Bereich eines Feldwegs im Landkreis Gießen geführt und den Ablageort weiterer Kleidungsstücke der getöteten Schülerin gezeigt.

Den Ermittlungen zufolge hatte der 30-Jährige die Schülerin am Nachmittag des 21. Juli 2022 mit einem Auto in Südbaden abgeholt und in ein Waldgebiet bei Langgöns im Landkreis Gießen gebracht. Dort soll er das Mädchen um kurz vor Mitternacht auf einem Feldweg getötet haben. Der Heimatort des Mädchens ist eine rund dreistündige Autofahrt von dem gut 300 Kilometer entfernten Tatort entfernt. Von dort sind es bis zum Teufelsee etwa 40 bis 45 Kilometer.

Die Ermittler werfen dem 30-Jährigen in der rund 70 Seiten umfassenden umfangreichen Anklageschrift neben Mord unter anderem auch versuchte Vergewaltigung mit Todesfolge und Entziehung Minderjähriger vor. Zum konkreten Tatablauf und sonstigen Tatumständen machte die Staatsanwaltschaft aus Pietätsgründen keine weiteren Angaben.

Im Zuge der Ermittlungen gegen den Mann waren 122 Zeugen vernommen und mehr als 30.000 Chats ausgewertet worden. Aufgrund der digitalforensischen Untersuchungen des Handys des Verdächtigen wurde den Angaben zufolge festgestellt, dass sich Ayleen und der Angeschuldigte offenbar Ende April 2022 via »Snapchat« kennengelernt und danach eine Vielzahl von Nachrichten miteinander ausgetauscht hatten.

Der 30-Jährige war schon als Jugendlicher wegen einer Sexualstraftat verurteilt worden. Er verbrachte deshalb zehn Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus. Bis Anfang 2022 war der Mann in einem Programm für rückfallgefährdete Sexualstraftäter.

Erst nach dem Tod von Ayleen wurde bekannt, dass drei Mädchen im ersten Halbjahr 2022 Anzeige gegen den Mann erstattet hatten. Zwei Mädchen im Alter von 14 Jahren warfen ihm Nötigung und sexuelle Belästigung vor. Ende April soll er versucht haben, ein 17 Jahre altes Mädchen unter anderem durch Textnachrichten zu einer Beziehung zu nötigen. Nach der Anzeige in diesem Fall hatte es nach Polizeiangaben unter anderem eine Gefährderansprache gegeben.

Der Bürgermeister von Ayleens Heimatort Gottenheim, Christian Riesterer, sieht in der Mordanklage einen wichtigen Schritt, um mit dem Fall abzuschließen. Die juristische Aufarbeitung sei für die Gemeinde und wohl auch für die Familie von Ayleen sehr wichtig, sagte Riesterer am Donnerstag. »Denn mit einem Urteil gegen den Täter wird dieser Fall, zumindest für die Mehrheit der Bevölkerung, abgeschlossen sein. Leider niemals für die Familie.« Aber auch der Familie werde ein Urteil helfen, mit der Tat besser fertig zu werden.

Er hoffe auf eine maximale Bestrafung des mutmaßlichen Täters. Er sei sich sicher, dass die Ermittlungsbehörden hierfür alles tun würden, betonte der Bürgermeister.

Das Landgericht Gießen muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden, ein Termin für den Prozess steht noch nicht fest. Bei einer Verurteilung geht es nach Angaben der Staatsanwaltschaft auch um eine mögliche Sicherungsverwahrung für den 30-Jährigen im Anschluss an die Haftstrafe.

Ein Sprecher des Landgerichts Gießen sagte, die Anklage sei eingegangen und werde in einem sogenannten Zwischenverfahren geprüft. Ob am Ende das Hauptverfahren - also ein Prozess - gegen den Angeklagten eröffnet wird, stehe noch nicht fest. Die Prüfung durch die zuständige Schwurgerichtskammer wird dem Sprecher zufolge voraussichtlich mehrere Monate dauern.

Das Landgericht Gießen hatte in der Vergangenheit schon öfter große und von einer breiten Öffentlichkeit verfolgte Mordprozesse verhandelt. Im November 2018 etwa verurteilte es den Mörder der achtjährigen Johanna rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Aktuell hat es die Schwurgerichtskammer mit einem mutmaßlich 2016 in Mittelhessen begangenen Mord an einem Mann zu tun, dessen Leiche bis heute nicht gefunden wurde. Der Indizienprozess gegen zwei Angeklagte läuft bereits seit April 2021.

Mitteilung zur Anklageerhebung

© dpa-infocom, dpa:230105-99-111735/5