STUTTGART. Die noch bis Ende des Jahres geltende Mietpreisbremse für be-stimmte Neuvermietungen soll nach den Vorstellungen von Landesbauministerin Nicole Razavi (CDU) künftig durch einen Steuervorteil für Vermieter abgelöst werden. Sie schlägt als »marktwirtschaftliche Antwort« auf die Frage, wie die Mietenexplosion in Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt – derzeit sind das 84 in Baden-Württemberg – eine Befreiung von der Einkommensteuer für die Vermietung von Wohnraum unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete vor. Razavi sagt: »Je mehr wir gängeln, desto mehr Vermieter werden wir verlieren.«
Razavi spricht sich für Steuervorteile nicht nur bei der Schaffung von Mietwohnungen aus, sondern mittlerweile auch bei der von selbst genutztem Wohnraum. Die Bauministerin brachte die Einführung eines Eigenheimfreibetrags ins Spiel, der entsprechend dem Kinderfreibetrag das zu versteuernde Einkommen in der Abzahlungsphase mindert. Mit einem Familienbonus in Form einer Zulage für Kinder im Haushalt, gestaffelt nach Anzahl der Kinder, sollte man den Eigenheimfreibetrag ergänzen, um besonders Familien wieder den Traum vom Eigenheim zu ermöglichen.
Während die FDP im Land den Steuervorstoß unterstützt und sogar die Abschaffung weiterer Mietregulierungen fordert, erklärt der Vorsitzende des Mieterbunds Baden-Württemberg, Rolf Gaßmann, den Vorschlag für »ebenso absurd wie sittenwidrig«. Die CDU bereite sich offenbar auf allen Ebenen vor, die Mietpreisbremse abzuschaffen. Die Maßnahme gängele niemanden, sondern biete Vermietern eine klare rechtliche Orientierung, an die sich aber leider kaum jemand halte.
Die Bremse würde eine bessere Wirkung entfalten, würden Kommunen deren Einhaltung kontrollieren, anstatt Vermieter zu belohnen, nur weil sie sich an die Regeln halten. Von Mietern könne man nicht erwarten, dass sie gegen Überhöhungen klagten, müssten diese doch froh sein, überhaupt eine Wohnung zu finden. Das Geld wäre besser in der Schaffung bezahlbaren Wohnraums aufgehoben, wobei Razavi offenlasse, wie hoch die Mindereinnahmen wären. Rolf Gaßmann fragt mit Verweis auf deren Vorstoß ironisch, ob er künftig von der Kfz-Steuer befreit werden könnte, wenn er sich fortan an Tempolimits halten würde.
Die Bauministerin will Privatleute mit einer Steuerbefreiung für Einkommen aus Vermietung und Verpachtung belohnen, wenn sie unter der Mietspiegelmiete bleiben. Ihre Aussage, es bestehe nur ein geringer Kontrollaufwand und die Steuererklärungen müssten »nur stichprobenartig geprüft« werden, sei wegen der individuellen Vergleichsmieten nicht nachvollziehbar, erklärt Gaßmann. Tatsächlich müsste jeder Fall geprüft werden.
Es gibt Schlupflöcher
Die Mietspiegelmiete müssten die Finanzämter für jede Wohnung erst einmal in einem komplizierten Verfahren ermitteln, um sie mit der in der Steuererklärung angegebenen Kaltmiete vergleichen zu können. In Stuttgart ist das Baujahr des Gebäudes, die Wohnfläche, die Lage sowie die Ausstattung der Wohnung zu berücksichtigen.
Zudem muss anhand des Baujahres des Gebäudes und der Wohnfläche ein Grundwert ermittelt werden, der dann durch diverse Zu- und Abschläge verändert wird. Die CDU und FDP behaupten schon lange, die Mietpreisbremse sei ein Hemmnis für den Wohnungsneubau. Die Beschränkung halte Investoren ab.
Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat das im TV-Duell mit Kanzler Olaf Scholz betont, der Stuttgarter CDU-Abgeordnete Maximilian Mörseburg behauptet das im Wahlkampf ebenso wie die FDP-Bewerberin Judith Skudelny. Tatsächlich greift die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen (es darf höchstens zehn Prozent mehr als im Mietspiegel festgelegt verlangt werden) – aber eben nicht für Neubauten, die seit Oktober 2014 erstellt wurden. Und auch nicht, wenn der Vermieter die Wohnung modernisiert hat.
Ein weiteres Schlupfloch sind auf Zeit vermietete Wohnungen, die etwa möbliert vergeben werden. Und: Wenn der Vormieter bereits eine zu hohe Miete gezahlt hat, dann muss auch der Neumieter die überhöhte Miete zahlen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat untersucht, dass Mieter ohne Mietpreisbremse zwei bis vier Prozent mehr für ihre Wohnungen zahlen würden. In Städten ohne Mietpreisbremse sind demnach die Mieten stärker gestiegen als in Städten mit der Bremse.
Razavi hatte Mitte Dezember angekündigt, dass die Mietpreisbremse für 89 Städte in Baden-Württemberg für ein halbes Jahr bis Ende 2025 verlängert werde. Man wolle im Land für eine Übergangslösung sorgen, hatte ihr Sprecher damals erklärt. So halte man sich alle Optionen offen. Dann müsse der Bund entscheiden, was mit dem Gesetz passiere. Hintergrund von Razavis Ankündigung ist das Aus der Ampelregierung in Berlin. Das Kabinett hatte sich zwar für die Verlängerung und Verschärfung der Mietpreisbremse bis Ende 2029 ausgesprochen und auch jüngst beschlossen. Das Gesetz schaffte es aber nicht mehr auf die vorletzte Tagesordnung des Bundestags.
Die Zeit wird knapp
Grüne und SPD wollten verhindern, dass dieses Instrument für den Mieterschutz nach dem 31. Dezember 2025 nicht mehr zur Verfügung steht. Die FDP wollte aber nicht mitmachen, obwohl ihr ehemaliges Mitglied, der Übergangsjustizminister Volker Wissing, sogar für eine Verschärfung und eine Verlängerung bis 2029 plädiert. Die Union steht auf dem Standpunkt, sich erst nach der Wahl mit der Frage beschäftigen zu wollen. Die Verlängerung der Mietpreisbremse könnte dann zwar noch kurz vor Ablauf 2025 fertig werden, aber das von den Ländern zu betreibende Verfahren zur Ermittlung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten müsse hinzugerechnet werden, so der Mieterbund. Dabei ist mit einer Verfahrensdauer von mindestens einem halben Jahr zu rechnen. Im Südwesten ist ein entsprechendes Gutachten aber bereits in Auftrag gegeben worden. (GEA)