Mit einem Messer hat ein Mann Teilnehmer einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz angegriffen und sechs Menschen verletzt. Ein Polizist ringe um sein Leben, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Freitagabend. Der Angriff richtete sich nach Behördenangaben gegen Teilnehmer einer Veranstaltung der islamkritischen Organisation Pax Europa. Nach Darstellung der Schatzmeisterin der Organisation, Stefanie Kizina, wurde auch das Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger verletzt.
Nach übereinstimmenden Medienberichten handelt es sich bei dem Angreifer um den 25-jährigen Sulaiman A. aus Herat in Afghanistan, der in Südhessen lebt. Eine Bestätigung dafür gab es am Freitagabend nicht.
Die Polizei schoss den Angreifer nieder, er wurde verletzt. Die für politische Delikte zuständige Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt. Strobl sagte am Freitagabend, über die Motivation könne man noch nichts sagen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte: »Wenn die Ermittlungen ein islamistisches Motiv ergeben, dann wäre das eine erneute Bestätigung der großen Gefahr durch islamistische Gewalttaten, vor der wir gewarnt haben.«
Oberbürgermeister spricht von Terrorattacke
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) bezeichnete den Messerangriff als Terrorattacke. Kanzler Olaf Scholz sprach von einem Attentäter und verurteilte den Angriff, auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich bestürzt.
Pax-Europa-Schatzmeisterin Stefanie Kizina sagte, die Attacke sei gezielt gegen Stürzenberger gerichtet gewesen, der mit einem Messer im Gesicht verletzt worden sei. Der »Bild«-Zeitung erläuterte sie: »Er wurde am Bein und im Gesicht getroffen, wird notoperiert. Lebensgefahr besteht offenbar nicht.« Der 59-Jährige ist einer der führenden Köpfe des Vereins.
Pax Europa macht auf seiner Website keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus - beiden schreibt die Organisation unter anderem »aggressive Verachtung und Intoleranz« zu. Der bayerische Verfassungsschutz schrieb in seinem Bericht für das Jahr 2022 über Stürzenberger und den bayerischen Landesverband von Pax Europa, es lägen »tatsächliche Anhaltspunkte« dafür, dass diese »verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen« verfolgten, »die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime gerichtet sind«. Im jüngsten Bericht der Behörde für 2023 tauchen Stürzenberger und die Organisation nicht mehr auf. Nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz liegt das aber nur daran, dass diese weniger aktiv seien. Sowohl Stürzenberger als auch der Landesverband Bayern würden weiter beobachtet.
Der 1964 im bayerischen Bad Kissingen geborene Politikwissenschaftler Stürzenberger war über Jahre als Journalist für mehrere Medien tätig. Ende 2003 wurde er Pressesprecher der CSU in München. Später verließ er die CSU und stieg 2011 bei der Partei Die Freiheit ein, die alsbald beim Landesverfassungsschutz als islamfeindliche Gruppierung auftauchte. Mehrfach trat Stürzenberger auf Veranstaltungen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung in Dresden auf. Er organisierte zeitweise auch den bayerischen Pegida-Ableger Bagida. In München machte er sich mit seinen Anhängern gegen den Bau einer Moschee stark.
Video im Internet zeigt Messerattacke
Kurz nach dem Angriff kursierte ein Video von der Tat im Internet: Darauf zu sehen ist ein Mann, der auf bei der Veranstaltung auf mehrere Menschen einsticht. Umstehende rufen: »Das Messer weg«. Auf dem Video ist auch zu sehen, wie ein Beamter auf den Angreifer schießt. Mehrere Polizisten fixieren den Verdächtigen danach auf dem Boden. Nach Angaben von Polizei, Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt wurde ein Schuss abgegeben.
Der lebensbedrohlich verletzte Polizist hatte nach Angaben der Ermittler eingegriffen und einen Verletzten aus dem Gefahrenbereich gebracht, als er von dem Täter mehrmals von hinten in den Kopf gestochen wurde. Bei den übrigen fünf Verletzten handelt es sich demnach um Angehörige von Pax Europa.
»Es ist dem beherzten, mutigen, entschlossenen und hochprofessionellen Eingreifen der Polizei zu verdanken, dass es nicht noch mehr Verletzte gegeben hat«, sagte Strobl. Die Identität des Täters war zunächst ungeklärt. Der Mannheimer Marktplatz befindet sich inmitten der Innenstadt der 300 000-Einwohner-Stadt im Norden Baden-Württembergs.
Über das Ausmaß und die Schwere der Verletzungen der anderen Betroffenen könne bislang keine Aussage getroffen werden, hieß es von den Ermittlern. Rettungskräfte brachten die Verletzten in verschiedene Kliniken, wo sie zum Teil notoperiert wurden. Nach der Tat war der Marktplatz mit rot-weißem Flatterband abgesperrt worden. Sichtschutzwände wurden aufgebaut, eine nahe Straßenbahnstation gesperrt. Auch ein Rettungshubschrauber war im Einsatz, um die Verletzten zu versorgen. Ermittler sicherten Spuren.
Angriff löst Betroffenheit aus
Kanzler Scholz zeigte sich erschüttert. »Die Bilder aus Mannheim sind furchtbar«, schrieb er auf der Plattform X. »Mehrere Personen sind von einem Attentäter schwer verletzt worden. Meine Gedanken sind bei den Opfern. Gewalt ist absolut inakzeptabel in unserer Demokratie. Der Täter muss streng bestraft werden.«
Bundespräsident Steinmeier zeigte sich entrüstet. "Ich verurteile die Tat in Mannheim aufs Schärfste!", schrieb seine Sprecherin Cerstin Gammelin in Steinmeiers Namen auf der Plattform X. "In unserer Demokratie darf kein Platz für Gewalt sein - Gewalt zerstört Demokratie. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut." Außenministerin Annalena Baerbock sagte in Hamburg, wer meine, irgendetwas für dieses Land zu tun, indem er jemandem ein Messer in den Körper ramme, der irre gewaltig. Hass und Hetze ist nicht zu tolerieren, egal aus welcher Richtung."
© dpa-infocom, dpa:240531-99-231009/5