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Mehr Hilfe für Schulen in sozialen Brennpunkten

Schulen in sozialen Brennpunkten sind besonders unter Druck. Deshalb könnten sie zum Beispiel mehr Stellen bekommen, um Schüler besser zu fördern. Andere Länder haben solche Pläne angekündigt, nun will Baden-Württemberg ein Konzept erstellen. Ganz einfach wird das nicht.

Theresa Schopper
Theresa Schopper (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Marijan Murat
Theresa Schopper (Bündnis 90/Die Grünen).
Foto: Marijan Murat

Schulen in sozialen Brennpunkten könnten bald auch in Baden-Württemberg besser ausgestattet und gefördert werden, um mehr Chancengleichheit in der Bildung zu erreichen. Studien und Trends zeigten, dass ein schlechter ausgestattetes Elternhaus die Leistungen von Schülerinnen und Schülern belaste, sagte Kultusministerin Theresa Schopper am Freitag in Stuttgart. Daher wolle Baden-Württemberg ein Modell erstellen, das auf einem Sozialindex aufbaue. »Unser Bildungssystem ist nicht wirklich chancengerecht«, sagte Schopper (Grüne). Die Einkommenssituation der Eltern dürfe nicht der entscheidende Faktor für den Bildungserfolg sein.

Ähnliche Pläne hatten bereits andere Bundesländer wie Sachsen und Nordrhein-Westfalen angekündigt. Auch die grün-schwarze Regierungskoalition in Baden-Württemberg verspricht in ihrem Koalitionsvertrag schon eine »sozialindexbasierte Ressourcenverteilung«.

Nach Angaben Schoppers wird der Index nach sozialen Aspekten vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg entwickelt. Er soll passgenau Einfluss darauf haben, welche Ressourcen eine Schule zum Beispiel für Ausstattung oder Förderung erhält.

Zudem will Schopper an den Grundschulen »multiprofessionelle Teams« einsetzen. Sie sollten Lehrkräfte entlasten und Schülerinnen und Schüler unterstützen. Nähere Angaben zu den Arbeitsfeldern der Teams oder dem Zeitrahmen nannte sie am Freitag noch nicht.

Zuletzt hatte die neue schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen einen ähnlichen Index angekündigt. Wie genau dieser »schulscharfe Sozialindex« dort aussehen wird, ist allerdings noch unklar.

Aus Sicht des Grundschulverbands Baden-Württemberg hat sich ein Sozialindex in früheren kleineren Modellen bereits bewährt. »Ich habe selbst als langjähriger Schulleiter einer Freiburger Brennpunkt-Grundschule beste Erfahrungen damit gemacht«, sagte Verbandsvorstand Edgar Bohn am Freitag. Der Index der Stadt im Breisgau richtet sich nach seinen Angaben unter anderem danach aus, wie viele Kinder an der Schule insgesamt unterrichtet werden und wie hoch der Anteil der ausländischen Jungen und Mädchen ist. Ausschlaggebend ist auch die Zahl der Familien, die Sozialhilfe erhalten.

»Meine Schule hat im Jahr rund 6500 Euro erhalten. Das war eine tolle Summe, mit der wir uns Expertise eingekauft haben«, sagt Bohn. Daraufhin sei unter anderem ein Programm zur Konfliktlösung für Kinder aufgebaut und eine Zusammenarbeit mit Studentinnen und Studenten organisiert worden. Kinder konnten mit den Studierenden etwas außerhalb der Schule unternehmen und auf diesem Weg ihren Radius erweitern. »Es war für uns verblüffend, wie sich das Verhalten der Kinder verändert hat«, sagte Bohn der dpa.

Allerdings warnten sowohl der Grundschulverband als auch die GEW davor, Schulen durch den Index gegeneinander auszuspielen. »Das muss oben drauf finanziert und darf nicht irgendwo abgezogen werden«, sagte die Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Monika Stein, der dpa in Karlsruhe. Neben dem Sozialindex sei es aber entscheidend, dass auch die Personalausstattung an den Schulen verbessert werde. »Man kann sich noch so schöne Dinge ausdenken, aber am Ende braucht man Menschen, die sie umsetzen«, sagte Stein. Eine Ausstattung nach sozialem Bedarf sei aber der richtige Weg: »Ungleiches muss auch ungleich behandelt werden, um Chancengleichheit einigermaßen zu erreichen.«

Bestätigt fühlen dürfte sich Schopper durch eine am Freitag von der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgestellte Studie, die im Abstand von fünf Jahren den Stand bei Viertklässlern repräsentativ untersucht. Darin heißt es unter anderem, Grundschulkinder in Deutschland hätten zunehmend Probleme mit Mathe und Deutsch und seien im Zehn-Jahres-Vergleich in ihren Kompetenzen deutlich zurückgefallen. Außerdem bestätigt sie, dass Erfolg in der Schule stark vom Elternhaus abhängt.

Der Zusammenhang zwischen Kompetenzen und »sozioökonomischem Status« der Familie habe sogar in allen Bereichen »signifikant« zugenommen, heißt es weiter. Verwiesen wird auch darauf, dass sich die »zuwanderungsbezogene Heterogenität« der Schülerschaft zwischen 2016 und 2021 weiter erhöht habe. Die stärksten Kompetenzrückgänge seien fast durchgängig für Schüler zu verzeichnen, die im Ausland geboren sind. Bei Schülern ohne Zuwanderungshintergrund fielen sie geringer aus.

© dpa-infocom, dpa:220701-99-876909/4