REUTLINGEN/WALDENBUCH. Um Schokolade ranken sich so einige Mythen. Seit es Harry Potter gibt, soll sie sogar Zauberkräfte besitzen. Alle Fans des Zauberschülers wissen: Sie hilft nach Angriffen von Dementoren. Denn die magischen Unholde saugen das Glück aus der menschlichen Seele. Mit Schokolade kehrt es wieder zurück. Also war Autorin Joanne K. Rowling wohl beim Schreiben ihre Bestsellerromane davon überzeugt, dass der Genuss von Schokolade glücklich machen muss. Doch was ist dran? Stimmt es wirklich, dass Kakao im menschlichen Körper Glücksgefühle auslösen kann?
Zunächst die gute Nachricht für alle Harry Potter- und Schokoladen-Fans: Es gibt tatsächlich Hinweise darauf. Peter Grimm, Leiter der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Baden-Württemberg, hat zwei Belege dafür: Einen biologischen und einen psychologischen. Der biologische klingt ziemlich wissenschaftlich, der psychologische eher gefühlvoll.

»Wir verbinden von Kindesbeinen an Schokolade mit positiven Gefühlen«
Peter Grimm: »Elementarer Bestandteil von Schokolade ist bekanntlich Kakao. Dieser enthält die Aminosäure Tryptophan. Aus dieser entsteht im Körper das Hormon Serotonin, das im menschlichen Gehirn Glücksgefühle auslösen kann.« Soweit die biologische Erklärung. Der Ernährungsexperte fügt hinzu, dass es schon eine richtig große Menge Kakao bräuchte, um für einen messbaren Serotoninschub zu sorgen. Gleichzeitig sorge aber der Zuckeranteil in der Schokolade dafür, dass im Gehirn noch ein weiteres Glückshormon ausgeschüttet werde: Dopamin. Doch wer Schokolade als glücklich machende Arznei einsetzen wollte, könnte wegen der erforderlichen großen Dosis möglicherweise eher unglücklich werden - wegen der drohenden Gewichtszunahme.
Grimm hält den psychologischen Effekt von Schokoladenkonsum deshalb für entscheidender, mit Blick auf das Glücksgefühl: »Wir verbinden von Kindesbeinen an Schokolade mit positiven Gefühlen. Der Mensch mag Süßes und Cremiges. Der Geschmack und das Mundgefühl stehen dabei für etwas Schönes und Gutes. Alles zusammen verbinden wir mit Schokolade.« Hinzu käme, dass Schokolade in der Kindererziehung meist mit Belohnung einhergehe. Wenn Kinder etwas Gutes geleistet hätten, gebe es Schokolade, so Grimm. All dies sei gut für die menschliche Psyche und könne mit Glücksgefühlen einhergehen.
Das alles weiß auch Marianne Burkhardt. Sie arbeitet in der Forschung und Entwicklung bei Ritter Sport in Waldenbuch und ist maßgeblich an der Kreation von neuen Schokoladen der weltbekannten Marke beteiligt. »Ich darf etwa 30 Proben in der Woche verkosten«, berichtet sie beim Besuch des GEA in der Schokoladenfabrik. Das dürfte für viele Menschen ein regelrechter Traumjob sein. Auch sie weiß von der Wirkung des Kakaos auf die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin beim Menschen und meint dann mit einem Lachen: »Wir sind hier alle happy.« Kurz darauf wird Burkhardt wieder ernsthafter: »Der psychologische Effekt nach dem Genuss von Schokolade ist ja bekannt. Denn zu welchen Anlässen gibt's von Kind auf Schokolade?« Sie beantwortet die Frage gleich selbst: »Im Adventskalender steckt sie, als Belohnung und zu besonderen Anlässen gibt's sie. Das ist alles positiv und beeinflusst das Belohnungssystem im Gehirn.«
Dieses Wissen haben sie und ihre Kollegen im Hinterkopf. »Ritter Sport macht aber keine Wirkversprechen, nach dem Motto: 'Essen Sie unsere Tafeln, dann werden Sie glücklich'«, so Marianne Burkhardt. Solche gesundheitsbezogenen Angaben, auch »Health Claims« genannt, müssten offiziell zugelassen werden. »Das machen wir nicht, denn Schokolade ist kein Arzneimittel, sie ist auch kein Lebensmittel, sie ist ein Genussmittel. Wir wissen aber, dass die Mehrheit der Menschen einfach unheimlich gerne Schokolade isst, und zwar in allen möglichen Geschmacksrichtungen. Darauf konzentrieren wir uns bei unserer Produktentwicklung«, erklärt sie.

Marianne Burkhardt und ihre Kollegen, wie beispielsweise Joachim Eissner, sind ständig dabei neue Geschmacksrichtungen zu testen, zu entwickeln und im besten Fall zu einem neuen Schokoladenprodukt werden zu lassen. »Die Inhaltsstoffe wie etwa Tryptophan spielen dabei weniger eine Rolle, sondern die einzelnen Zutaten wie beispielsweise Nüsse sind entscheidend«, erklärt Burkhardt, während sie in der Schokoladenwerkstatt auf ihren Kollegen Joachim Eissner trifft, der gerade mit verschiedenen »Testtafeln« beschäftigt ist. »Ich verrate nicht, was da jetzt drin ist, aber fotografieren dürfen Sie«, sagt er gut gelaunt.
»Wir sind hier alle happy«
Beide haben genau im Blick, welche Sorten bei den Konsumenten besonders gut ankommen: »Da gibt es so eine Art Hitparade bei uns. In den Top 10 sind unter anderem Alpenmilch, Marzipan, Nougat und alle Nusssorten.« Damit sind offensichtlich viele Menschen glücklich zu machen. Damit noch mehr zu den bekannten quadratischen Tafeln greifen, sind Marianne Burkhardt, Joachim Eissner und ihre Kollegen ständig auf der Suche nach Neuem in Sachen Schokolade.
Das führt im besten Fall dazu, dass der Absatz bei Ritter Sport weiter brummt. Am Tag produziert das Unternehmen übrigens etwa drei Millionen Tafeln. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben trotz schwieriger Rahmenbedingungen im vergangenen Jahr gewachsen. Der Umsatz betrug 605 Millionen Euro nach 561 im Vorjahreszeitraum. Angaben zum Gewinn wurden nicht gemacht. Aber Geld macht ja bekanntlich nicht glücklich, Schokolade schon eher. (GEA)
Wieso es Ritter Sport heißt
Die erste Schokolade der Unternehmensgründer Alfred und Clara Ritter im quadratischen Format und dem Namen Ritter Sport kam 1932 auf den Markt. Unmittelbar in der Weltwirtschaftskrise war die Firma von Stuttgart -Bad Cannstatt nach Waldenbuch umgezogen. Dort spielte der benachbarte Sportplatz eine wichtige Rolle für die Namensentwicklung. Tafelschokolade war damals nur als die, bis heute bekannten Langtafeln zu bekommen. In der Firmenhistorie steht, dass sich Clara folgende Gedanken gemacht habe: »Machen wir doch eine Schokolade, die in jede Sportjacketttasche passt, ohne dass sie bricht, und das gleiche Gewicht hat wie die normale Langtafel.« Die quadratische Tafel war zwar etwas kleiner, dafür aber dicker und genauso schwer wie eine Langtafel. Dadurch brach sie nicht so leicht. (rr)