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Maßregelvollzug zu unsicher? Ministerium weist Kritik zurück

Im Schnitt mehr als einmal die Woche verschwindet ein Patient aus dem Maßregelvollzug - zumindest für eine Weile. Die SPD sieht damit Sicherheitsrisiken verbunden. Das zuständige Ministerium wiegelt ab.

Gesundheitsminister Manne Lucha
Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen), Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg spricht im Landtag. Foto: Bernd Weißbrod
Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen), Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg spricht im Landtag.
Foto: Bernd Weißbrod

Nachdem in den vergangenen Monaten mehrere Menschen aus dem Maßregelvollzug geflohen sind, sieht die SPD Sozialminister Manne Lucha (Grüne) in der Pflicht. »Sozialminister Lucha trägt die Verantwortung dafür, Sicherheitsrisiken in allen Standorten auszuschließen und weitere Bedrohungslagen für die Bevölkerung zu vermeiden«, sagte Jonas Weber, Experte der SPD-Landtagsfraktion für Strafvollzug, der »Schwäbischen Zeitung« (Samstag). Seit November haben sich vier Personen allein aus dem Zentrum für Psychiatrie in Ravensburg-Weißenau (ZfP Südwürttemberg) abgesetzt, alle griff die Polizei kurze Zeit später wieder auf.

Im Maßregelvollzug werden psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter untergebracht. Sie kommen dann zum Beispiel in eine Psychiatrie oder Entzugsklinik statt in ein Gefängnis.

Anders als beim Justizvollzug handle es sich beim Maßregelvollzug um eine medizinische Behandlung mit dem Ziel, psychisch kranke oder gestörte sowie suchtmittelabhängige Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren, teilte ein Sprecher des Ministeriums am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur mit. »Mit Blick auf dieses auch gesetzlich vorgegebene Behandlungsziel sind Lockerungen unabdingbar, zwingender Teil des Behandlungskonzepts und auch notwendig.«

Besonders qualifizierte Therapeuten entschieden über solche Lockerungen in einem aufwendigen Verfahren sehr genau, erläuterte der Sprecher. Im Zusammenhang mit genehmigten Lockerungen gebe es bei Ausgängen immer wieder sogenannte Entweichungen; das seien aber keine Ausbrüche. »Mit Sicherheitsversäumnissen hat dies nichts zu tun.«

Dieter Grupp, Geschäftsführer des ZfP Südwürttemberg, sagte der Zeitung über die aktuelle Häufung der Fälle: »So etwas ist für uns neu.« Die Zahl der Entweichungen insgesamt habe sich über die vergangenen Jahre aber nicht geändert. Die Zentren für Psychiatrie im Land haben 2022 laut Ministerium 56 Entweichungen gemeldet.

SPD-Politiker Weber sieht das Problem in mangelnden Plätzen und unzureichender Unterstützung für die Einrichtungen. »Der andauernde Mangel an Plätzen sorgt für erheblichen Druck in den bestehenden Einrichtungen und stellt ein großes Sicherheitsrisiko dar.«

Der Ministeriumssprecher entgegnete, die Landesregierung habe seit Beginn der stark ansteigenden gerichtlichen Zuweisungen von Straftätern in den Maßregelvollzug konsequent reagiert und Neubauvorhaben in Calw und Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) geplant, die schon gebaut würden. »So werden kurzfristig zusätzliche Plätze geschaffen, von Untätigkeit kann also überhaupt nicht die Rede sein.«

Bericht

© dpa-infocom, dpa:230114-99-217167/3