Damit liegen die am Mittwoch veröffentlichten Werte unter dem Bundesschnitt von einem Minus von 0,61 Jahren bei Jungen und 0,37 Jahren bei Mädchen. Noch deutlicher aber ist die Entwicklung in den südlichen Regionen Ostdeutschlands. In besonders von Corona-Wellen betroffenen Bundesländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen lag die durchschnittliche Lebenserwartung von neugeborenen Jungen 2021 nach den Berechnungen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie rund eineinhalb Jahre niedriger, bei Mädchen etwas mehr als ein Jahr.
Eine sinkende Lebenserwartung von mehr als einem Jahr ist nach Einschätzung der Experten außerhalb von Kriegszeiten sehr ungewöhnlich. »Rückgänge in dieser Größenordnung wurden letztmals zum Ende der DDR verzeichnet«, erklärte Forschungsdirektor Sebastian Klüsener. Die regionalen Unterschiede seien unter anderem mit der Infektionslage, den ergriffenen Corona-Maßnahmen und dem Verhalten der Bevölkerung zu erklären. Auch die Nähe zu stark betroffenen Nachbarländern wie Tschechien und Polen spiele eine Rolle.
Am anderen Ende der Skala steht Schleswig-Holstein. Dort kletterte die Lebenserwartung den Angaben zufolge von 2019 bis 2021 bei den neugeborenen Jungen sogar um 0,18 Jahre, während es bei den Prognosen für die Mädchen mit einem Minus von 0,25 einen geringen Rückgang gab.
Vor dem Beginn der Pandemie war die Lebenserwartung in Deutschland jährlich um etwa 0,1 Jahre gestiegen. 2020 ging sie dann in vielen Regionen zunächst leicht zurück. Als 2021 Corona-Mutationen wie die Deltavariante dominierten, wurde die Entwicklung deutlicher.
Für die Lebenserwartung wird ermittelt, welche durchschnittliche Lebenslänge Neugeborene erreichen würden, wenn die in einem Jahr verzeichneten altersspezifischen Sterblichkeitsraten über die nächsten 115 Jahre konstant gehalten würden.
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