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Landtag macht Weg frei für Pflegekammer

Die neue Pflegekammer soll die Interessen der Pflegekräfte vertreten. Aber viele wehren sich noch gegen die verpflichtende Mitgliedschaft. So umstritten wie in der Branche ist die Pflegevertretung auch in den Parteien. Dennoch hat der Landtag nun den Weg dafür frei gemacht.

Pflege
Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Krankenhausflur. Foto: Marijan Murat
Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Krankenhausflur.
Foto: Marijan Murat

Trotz des heftigen Gegenwinds der Gewerkschaften und langer Corona-Pause hat das Land den Weg freigemacht für eine Pflegekammer, die Pflegefachkräften eine Stimme geben und das Berufsbild schärfen soll. Die grün-schwarze Regierungsmehrheit im Landtag beschloss am Mittwoch das Landespflegekammergesetz gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen und warb für die Pflegekammer als Sprachrohr der Branche.

Bei vielen Pflegekräften und deren Gewerkschaften ist die Einrichtung dagegen heftig umstritten. Sie wehren sich gegen die weitgehend verpflichtende Mitgliedschaft und sprechen von einer »Zwangskammer« und einem »Spaltpilz«.

Mit der Pflegekammer sollen nach Einschätzung der Landesregierung die rund 110.000 Pflegekräfte im Südwesten und ihre Anliegen besser vertreten werden. Das Berufsbild soll geschärft, Qualitätskriterien sollen festgelegt und Qualifikationen geregelt werden. Zudem soll die Kammer vermittelt eingreifen oder auch entscheiden - zum Beispiel bei Beschwerden von Patienten oder Angehörigen.

Ziel sei es, die Attraktivität des Berufsstandes und damit die Zahl der dringend benötigten Pflegekräfte zu erhöhen, teilte das Gesundheitsministerium mit. »Pflegefachkräfte sollen endlich die Chance erhalten, ihren Beruf selbst mitzugestalten und sich auf Augenhöhe einzubringen«, warb Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Die Einrichtung sei ein wichtiger Schritt, um den Pflegeberuf aufzuwerten und den Fachkräftebedarf zu sichern.

Allerdings wird es die Pflegekammer nur geben, wenn sie von einer starken Mehrheit der Pflegefachkräfte gewollt ist. Sind nicht mindestens 60 Prozent der baden-württembergischen Pflegefachkräfte registriert und haben somit keinen Widerspruch eingelegt, findet die Gründungsversammlung nicht statt und der noch nicht bestehende Gründungsausschuss wird aufgelöst. Er soll im Juli seine Arbeit aufnehmen und hat 18 Monate Zeit, die Kammer vorzubereiten.

Die Kritik: Die meisten Pflegekräfte müssen zahlende Mitglieder der Pflegekammer sein. Ausnahmen soll es nur für Auszubildende, Pflegehelferinnen und Pflegehelfer sowie Hochschuldozierende geben. Alle drei Oppositionsparteien im Landtag forderten am Mittwoch eine Ur-Wahl zur Kammer. »Wenn die Pflege, wie es ja heißt, unisono dafür ist, dann kann man es ja auch so halten, dass sich jeder freiwillig beteiligt«, sagte der FDP-Gesundheitsexperte Jochen Haußmann. Seine Partei wäre nicht aus Prinzip gegen eine Kammer, könne aber einer erzwungenen Mitgliedschaft nicht zustimmen.

Die SPD bezeichnete die Kammer als »komplett verunglückten Trip«. »Wir wollen, dass es alleine die Pflegefachkräfte in Baden-Württemberg sind, die nach einem ausgewogenen Diskurs mit Ja oder Nein darüber abstimmen, ob sie selbst eine Landespflegekammer wollen oder nicht«, sagte der Landtagsabgeordnete Florian Wahl und forderte Lucha auf: »Hören Sie die Pflege, haben Sie keine Angst vor der Pflege.« Für die AfD argumentierte Bernhard Eisenhut, seine Partei könne keine Verbesserung durch eine Kammer erkennen.

Pflegekammern sind nach Rheinland-Pfalz auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein eingerichtet worden. Allerdings sind sie dort bereits wieder abgeschafft worden, weil der Unmut über Pflichtmitgliedschaft, Zwangsbeiträge und zum Teil auch Management der Kammern in beiden Bundesländern zu groß war. Neben Rheinland-Pfalz gibt es derzeit noch eine Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen.

Infos zur Pflegekammer

© dpa-infocom, dpa:230524-99-803735/4