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Landrat lobt Projekt Hesse-Bahn - Artenschutz übertrieben?

Die Reaktivierung der Hesse-Bahn in Calw ist ein Pionierprojekt. Der dafür notwendige Artenschutz ist aufwendig und teuer. Fragen nach der Verhältnismäßigkeit werden unterschiedlich beantwortet.

Reaktivierung Hermann-Hesse-Bahn
Bei der Reaktivierung der Strecke muss auf rund 15 streng geschützte Fledermausarten geachtet werden. Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Bei der Reaktivierung der Strecke muss auf rund 15 streng geschützte Fledermausarten geachtet werden.
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Die Kosten für die Reaktivierung der Hermann-Hesse-Bahn im Landkreis Calw liegen bei inzwischen rund 160 Millionen Euro, rund ein Drittel davon wird für den Artenschutz, vor allem den Schutz von Fledermäusen, aufgewendet. »Ich stehe zu 150 Prozent dazu, aber das Thema Verhältnismäßigkeit beschäftigt mich sehr intensiv«, sagte dazu Landrat Helmut Riegger. Ob dies alles nötig gewesen sei, müsse später und auch gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe noch mal betrachtet werden. Die bürokratischen und artenschutzrechtlichen Hürden hätten viel Zeit und Nerven gekostet. 

»Wir greifen massiv in die Natur ein, dann müssen wir eben alles dafür tun, dass dieser Eingriff so gering wie möglich ist. Das ist eine ethische Abwägung«, sagte dazu der Chef des Landesverbandes Nabu Baden-Württemberg, Johannes Enssle. Auf der Strecke zwischen Calw und Weil der Stadt (Kreis Böblingen) sollen zum Ende kommenden Jahres wieder Züge im Regelbetrieb fahren. 

Zufluchtsorte für Fledermäuse

Bis dahin müssen die Schutzmaßnahmen für rund 15 streng geschützte Fledermausarten verlässlich umgesetzt werden. Rund 1.000 Tiere bevölkern zwei stillgelegte Tunnel seit den 80er-Jahren. Für sie wird unter anderem eine Trennwand durch die Tunnel konstruiert, damit die Tiere trotz des späteren Zugverkehrs in ihrem Quartier bleiben können. Außerdem wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, damit die Fledermäuse noch andere Zufluchtsorte bekommen. Falls es durch den Bahnbetrieb zu Populationsdellen kommen sollte, könnte das durch die Maßnahmen wieder ausgeglichen werden, betont das Landratsamt.

"Dass es so viel Kraft kostet, eine Strecke zu reaktivieren, das ist ein Lernprozess und ein schwieriger Prozess, den wir bitter lernen mussten", sagte Riegger. Das Projekt sei aber eine zentrale und wichtige Maßnahme, um den Schienenverkehr im Land wieder auf Vordermann zu bringen. Die Hermann-Hesse-Bahn gilt als Pioniervorhaben bei der Reaktivierung stillgelegter Strecken im Land. "Von den hier gemachten Erfahrungen könnten ähnliche Projekte profitieren, sagt das Regierungspräsidium. Das Verkehrsministerium hatte immer wieder die Bedeutung solcher Wiederinbetriebnahmen betont. Im Südwesten könnten sich rund zwei Dutzend stillgelegter Strecken dafür eignen.

© dpa-infocom, dpa:240922-930-239436/1