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Landkreise wollen mehr Tempo bei Digitalisierung

Von der Couch aus einen neuen Personalausweis beantragen, das Auto zulassen oder sogar von zu Hause aus wählen - was in anderen Ländern schon längst Alltag ist, steckt in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen. Die Landkreise wollen schneller vorankommen.

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Akten liegen auf einem Tisch. Foto: Bernd Weissbrod
Akten liegen auf einem Tisch.
Foto: Bernd Weissbrod

Die Landkreise in Baden-Württemberg fordern mehr Tempo bei der Digitalisierung der Verwaltung. »Wir müssen jetzt richtig Gas geben«, sagte der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter (CDU), der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Vor allem im internationalen Vergleich komme Deutschland deutlich zu langsam voran. Er pochte darauf, dass sich Land und Kommunen auf ein verbindliches Zielbild festlegten. Wichtig sei vor allem, sich die komplette Digitalisierung des Verwaltungsprozesses zum Ziel zu setzen. »Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn Anträge, die online eingereicht werden, erst einmal ausgedruckt werden müssen, bevor sie weiterbearbeitet werden können«, sagte Walter, der Landrat des Landkreises Tübingen ist.

Aus Sicht der Landkreise braucht es digitalisierte Verfahren, um als Verwaltungen effizienter zu werden - »was angesichts des massiven Fachkräftemangels dringend erforderlich ist«, sagte Walter. Und es gehe auch ums Geld. Es müsse zwischen Land und Kommunen geregelt werden, wie die Digitalisierung der Verwaltung flächendeckend ausgerollt und finanziert werden könne. »Wir brauchen dringend eine aktualisierte E-Government-Vereinbarung zwischen Land und Kommunen«, forderte Walter.

Digitalisierung müsse als langfristiges Projekt gedacht werden - auch finanziell, heißt es in einem Positionspapier des Landkreistags. »Die Mittel müssen langfristig zur Verfügung gestellt werden«, schreiben die Landrätinnen und Landräte.

Ein Sprecher des Innenministeriums verteidigte den 2019 geschlossenen E-Government-Pakt. »In anderen Ländern müssen die Kommunen die Digitalisierung ihrer Verwaltungsleistungen alleine bewältigen«, sagte er. Man werde »Hand in Hand mit unseren kommunalen Partnern« die anstehenden Aufgaben lösen. »Es ist unser gemeinsames Interesse, in dem Bereich noch schneller voranzukommen.«

Ein Beispiel für gelungene Digitalisierung sei etwa ein Modellprojekt zur Kfz-Zulassung im Landkreis Heilbronn. Dort können Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen ab September ihre Fahrzeuge komplett digital zulassen - und auch sofort losfahren. Bislang müssen die Halter ihr Auto so lange stehen lassen, bis ihnen Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein per Post zugesandt wurden. Ab September soll eine digitale Bescheinigung die Zeit überbrücken, bis die Unterlagen angekommen sind. Nach Angaben des Innenministeriums werden auch andere Zulassungsbehörden dem Heilbronner Vorbild folgen.

Rückendeckung bekommen die Landkreise von der Opposition. Nach Ansicht der FDP-Fraktion im Landtag ist ihre Kritik gerechtfertigt. »Die Digitalisierung der Verwaltung in Baden-Württemberg ist mehr Wunsch als Wirklichkeit«, sagte Daniel Karrais, digitalpolitischer Sprecher der FDP. Land und Bund hätten sich auf dem Rücken der Kommunen ausgeruht. »Es bestätigt sich, dass viele Kommunen gar nicht die Kapazitäten und das Know-how haben, um zuverlässig Prozesse zu digitalisieren«, kritisierte Karrais. Das Land müsse umsteuern und eine zentrale Dienstleistungsplattform schaffen.

Aus Sicht der SPD fehlt ein »systematischer Ansatz«. Das Land müsse eine Arbeitsgruppe einrichten, um den Kommunen personelle und fachliche Unterstützung zu bieten, forderte der digitalpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Jonas Hoffmann. Auch er plädierte dafür, die E-Government-Vereinbarung zu überarbeiten. »Gerade die digitalen Entwicklungen seit der Corona-Pandemie konnten damals noch nicht abgesehen werden.«

© dpa-infocom, dpa:230424-99-426428/5