Dass der Staat zuletzt mit Milliardenpaketen in der Krise geholfen hat, war aus Sicht des Chefökonomen der größten deutschen Landesbank richtig - er mahnt aber ein Umdenken an. »Es kann nicht sein, dass jeder immer für alle Unbill, die ihm widerfährt, nach dem Staat ruft und sagt: Jetzt brauche ich aber auch was«, sagte Moritz Kraemer, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), der Deutschen Presse-Agentur. Das Kurzarbeitergeld beispielsweise habe in der Corona-Krise Massenarbeitslosigkeit wie etwa in den USA verhindert. »Aber wir müssen natürlich auch wieder auf die Eigenverantwortung pochen.«
In der Corona-Pandemie und der Energiekrise hatte der Staat Unternehmen und Verbrauchern mit Hunderten Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. Generell habe Deutschland diesen Spielraum und sei nicht überschuldet, sagte Kraemer. »Das lag auch daran, dass man die guten Jahre als gute Jahre erkannt hat und die Schuldenquote zurückgefahren hat.« Wichtig sei, künftig weiteres Wachstum zu erzeugen, um den Schuldendienst sicher zu tilgen. »Das ist derzeit nicht die Gefahr in Deutschland und deswegen können wir auch diese großen Pakete schnüren.«
Bei den beschlossenen Hilfen habe es immer wieder Gießkanneneffekte gegeben, die teils aber auch gar nicht zu verhindern gewesen seien: Es habe Probleme gegeben, die Menschen und Unternehmen zu identifizieren, die die Hilfen wirklich benötigen. Das sei bei Corona so gewesen und sei heute - etwa bei der Gaspreisbremse - genauso. »Also wir lernen irgendwie nur sehr langsam dazu.« Gründe seien beispielsweise mangelnde Digitalisierung oder auch der Datenschutz.
»Ich finde es richtig, dass Menschen und Unternehmen unterstützt werden, die ohne eigenes Verschulden in die Bredouille geraten sind«, sagte er weiter. Das müsse aber temporär und gezielt erfolgen und nicht mit offenem Ende und der Gießkanne. »Das würde auch unseren Staat irgendwann überfordern. Und vor allem würde es auch die Initiativkräfte zum Erlahmen bringen.«
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