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Lage schlecht, Aussichten mies: Kliniken im Land auf Intensiv

Die Kliniklandschaft soll reformiert werden. Für viele Krankenhäuser in Baden-Württemberg könnte die Reform aber zu spät kommen. Es drohen Insolvenzen. Tübingens Landrat Joachim Walter spricht von einer dramatischen Lage.

Intensivstation
Ein leeres Bett steht in der Intensivstation einer Klinik. Foto: Jonas Güttler
Ein leeres Bett steht in der Intensivstation einer Klinik.
Foto: Jonas Güttler

STUTTGART/TÜBINGEN. Die baden-württembergischen Kliniken warnen angesichts dunkelroter Zahlen vor Krankenhaus-Insolvenzen und fordern schnelle Finanzhilfen noch vor der geplanten großen Krankenhausreform. »Wenn nicht schnell etwas getan wird, fehlen den Krankenhäusern im Land allein im Jahr 2023 mindestens 800 Millionen Euro«, sagte der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Heiner Scheffold. Drei von vier Kliniken rechneten mit Verlusten. »Sie brauchen jetzt Hilfe«, forderte Scheffold. Ein Vertrösten auf eine künftige Krankenhausreform, die vielleicht eine bessere Finanzierung von Vorhaltekosten bringt, könne nicht hingenommen werden.

Fast die Hälfte des zu erwartenden Defizits sei durch »politische Eingriffe in den letzten sechs Monaten verursacht« worden, bemängelte Scheffold. Das Bundesgesundheitsministerium habe ohne sachliche Grundlage die Vergütung der Fallpauschalen zu Lasten der Krankenhäuser gesenkt und den Krankenhäusern dadurch 45 Millionen Euro entzogen. Zudem sei die Berechnungsformel für den Landesbasisfallwert - das ist der Preis der Krankenhausleistungen - ungerechtfertigt verändert worden. Kosten: mindestens 65 Millionen Euro im laufenden Jahr. Die Entlastung für die massiv gestiegenen Energiekosten komme zudem nur in Bruchteilen bei den Krankenhäusern an, viele gingen leer aus, sagt Scheffold, der Landrat des Alb-Donau-Kreises ist.

Massiv gestiegene Energiekosten

»Wenn die Finanzen der Krankenhäuser nicht umgehend stabilisiert werden, ist ein kalter Strukturwandel vorprogrammiert. Dann fehlen möglicherweise Krankenhäuser, die für die Versorgung der Menschen im Land dringend erforderlich sind«, warnte die Krankenhausgesellschaft vor Insolvenzen und ihren Folgen. Die Gesellschaft vertritt nach eigenen Angaben Hunderte von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Rehabilitationsangeboten mit 130.770 Betten und Plätzen sowie deren mehr als 250.000 Mitarbeiter.

Nach Angaben der BWKG haben die Hilferufe aus den Krankenhäusern in den vergangenen Wochen massiv zugenommen, das habe zuletzt auch eine neue Umfrage gezeigt. Betroffen seien vor allem auch immer mehr Krankenhäuser, die vergleichsweise gut durch die Turbulenzen der Corona-Pandemie gekommen seien. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse die Absenkung der Vergütungen ebenso zurücknehmen wie die Änderungen beim Landesbasisfallwert. Außerdem müssten die Entlastungen bei den Energiepreisen »in vollem Umfang und schnell ankommen«, sagte Scheffold und empfahl Pauschalzahlungen.

Defizite bei den Kliniken erreichen Höchststände

Der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Tübingens Landrat Joachim Walter, nannte die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser »dramatisch«. Die Klinikdefizite erreichten Höchststände. Die Bundesregierung müsse eingreifen und Mittel bereitstellen, um die Klinik wirtschaftlich zu stabilisieren.

CDU-Fraktionschef Manuel Hagel warf der Ampelkoalition in Berlin vor, Probleme seit Monaten kleinzureden. »Das alles unter dem Deckmantel der geplanten Krankenhausstrukturreform, von der heute noch niemand weiß, ob, wann und wie sie kommt«, sagte er. Dagegen betonte der SPD-Gesundheitsexperte Florian Wahl die Bedeutung einer Klinikreform. Es müssten dabei auch die Interessen der Länder einfließen, forderte er. »Für ein Flächenland wie Baden-Württemberg muss dabei klar sein, dass wir sowohl Spitzenmedizin als auch Versorgung auf dem Land brauchen.«

Zuvor hatte auch bereits die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) auf gestiegene Kosten durch die Inflation und auf monatlich auflaufende Defizite in Höhe von 740 Millionen Euro hingewiesen. »Die Krankenhäuser liegen im Schockraum der Notaufnahme, und viele Kliniken werden die politische Therapie des Abwartens nicht überleben«, hatte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß vor einer Woche in Berlin gesagt. Auch Lauterbach hatte bei dem Branchentreff von den Krankenhäusern »in größter Not« gesprochen und sehr viele Einrichtungen in einer Insolvenzgefahr gesehen.

Feste Beträge für Personal und Notaufnahmen

Die Pläne des Bundesministers für eine Krankenhausreform sehen bundesweit eine einheitliche Einteilung der Kliniken in drei Stufen vor, mit entsprechender Förderung: Wohnortnahe Kliniken zur Grund- und Notfallversorgung, Häuser mit weiteren Leistungen und Maximalversorger wie Unikliniken. Auch innerhalb der Kliniken wird eine stärkere Spezialisierung angestrebt. Zudem sollen die sogenannten Fallpauschalen abgesenkt werden - Kliniken bekommen pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Betrag. Zum Ausgleich für abgesenkte Pauschalen sollen die Kliniken »Vorhalteleistungen« bekommen: feste Beträge für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik. (dpa)