Logo
Aktuell Land

Kunstsammler muss Eintrag in NS-Raubgut-Datenbank hinnehmen

Anlässlich einer Schau in Baden-Baden erfährt ein Kunstsammler, dass eines seiner Gemälde in einer Datenbank für potenzielles NS-Raubgut auftaucht. Er klagt sich durch die Instanzen bis zum BGH - erfolglos. Doch das letzte Wort könnte damit noch nicht gesprochen sein.

Justitia
Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Sonja Wurtscheid/DPA
Eine Figur der blinden Justitia.
Foto: Sonja Wurtscheid/DPA

Wird ein Kunstwerk in der Lost-Art-Datenbank für mögliches NS-Raubgut gelistet, ist das nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht automatisch ein Makel am Eigentum. Solange die behaupteten Tatsachen wahr sind, müsse der Besitzer dies hinnehmen, befand der fünfte Zivilsenat am Freitag. (Az. V ZR 112/22)

Der Kunstsammler hat sich somit bis zuletzt erfolglos gegen die Verwalter von einem Nachlass eines jüdischen Kunsthändlers durch die Instanzen geklagt. Um das Löschen des Eintrags zu erwirken, könnte er aber auch gegen die Betreiberin der Datenbank vorgehen, das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg, sagte die Vorsitzende Richterin Bettina Brückner in Karlsruhe.

Die Stiftung müsse entscheiden, ob sie eine Suchmeldung veröffentlicht und ob beziehungsweise wann sie diese wieder löscht. »Es liegt in ihrer Verantwortung, die fortdauernde Einhaltung des Zwecks der Veröffentlichung zu überwachen und sicherzustellen, dass die Aufrechterhaltung der Veröffentlichung gegenüber dem Eigentümer des Kunstwerks weiterhin zu rechtfertigen ist«, befand der BGH.

Die Datenbank soll Kulturgüter dokumentieren, die insbesondere jüdischen Eigentümern unter den Nazis entzogen wurden - oder für die ein solcher Verlust nicht auszuschließen ist. Frühere Eigentümer beziehungsweise deren Erben sollen den Angaben zufolge mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib der Werke unterstützt werden.

Dies war laut Brückner im vorliegenden Fall gescheitert. Der Kläger hatte 1999 bei einer Auktion die »Kalabrische Küste« des Malers Andreas Achenbach (1815-1910) erworben - am rechtmäßigen Besitz gibt es keine Zweifel. Das Gemälde hatte jedoch früher dem jüdischen Kunsthändler Max Stern gehört, der von Nationalsozialisten ein Berufsverbot bekam, das Bild verkaufte und nach Kanada auswanderte.

Seinen Nachlass verwaltet ein kanadischer Trust. Dessen Treuhänder ließen eine Suchmeldung in der Lost-Art-Datenbank veröffentlichen. Da ist das Bild seit dem 29. Juni 2016 mit dem Hinweis »Verlustumstand gemeldet als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut« vermerkt.

Im Rahmen einer Ausstellung in Baden-Baden erfuhr der Kunstsammler davon. Zudem fahndete die kriminalpolizeiliche Organisation Interpol nach dem Bild. Der Mann wollte nun vor Gerichten erreichen, dass sein Eigentum nicht weiter bemäkelt und der Eintrag gelöscht wird.

»Der Kläger ist in einer misslichen Lage«, sagte Brückner. Gerade in den USA etwa dürfte das Gemälde schwer verkäuflich sein. Das liege daran, dass Länder unterschiedlich mit Fragen der Restitution - also der Rückerstattung unrechtmäßig enteigneter Kulturgüter - umgingen.

Eine Eigentumsanmaßung sah der BGH aber nicht. Das Interesse früherer Eigentümer beziehungsweise ihrer Rechtsnachfolger und das allgemeine öffentliche Interesse an der Provenienz NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter überwiegen laut dem Urteil das auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhende Interesse des aktuellen Eigentümers an der Geheimhaltung wahrer Tatsachen. Ob dieser nun gegen die Stiftung vorgehen will, sagte er am Freitag zunächst nicht.

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste teilte mit, die ausführliche schriftliche Begründung der Entscheidung abwarten zu wollen, um möglichen Handlungsbedarf zu prüfen. Das Urteil an sich begrüßte es. Mit dem Betrieb der Datenbank leiste das Zentrum seinen Beitrag zur Verpflichtung der Bundesrepublik zur Aufarbeitung des NS-Unrechts.

Mitteilung

Über die Lost-Art-Datenbank

© dpa-infocom, dpa:230720-99-474716/5